Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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Braut zu malen. Man heirathet am liebsten ein hübsches Mädchen, 
man malt sie am liebsten und sieht die gemalte am liebsten. Wo 
gar kein Interesse an einer Scene vorliegt, ist sie überhaupt nicht 
zu malen, und meist gipfelt das Interesse an einer Scene in einer 
Person als Gentrum der Beziehungen darin. Dadurch nun, dass die 
Braut hübsch ist, gewinnt sie nicht nur selbst, sondern gewinnen 
auch alle Beziehungen dazu an Interesse und Reiz. Wenn die 
bäuerliche Braut aber nicht blos hübsch sondern auch fein aussieht. 
wenn die Brautjungfern und Zuschauerinnen sämmtlich auch hübsche 
oder doch interessante Gesichter haben, so haben wir statt einer 
Bauernhochzeit nur die Maskerade einer solchen und alle Beziehungen 
verlieren durch das Gefühl der Unwahrheit an Interesse und Reiz. 
Nil 
I1 
findet 
freilich 
hierin 
wieder 
keine 
bestimmte Gränze 
statt. 
Warum soll es nicht auch unter den Brautjungfern bei Bauernh0ch- 
zeiten ein und das andere hübsche Mädchen geben, und wenn man in 
der Wirklichkeit am liebsten die Hochzeit ansieht, wo es deren am 
meisten giebt, warum soll nicht der Maler eine solche in der Idee 
und Darstellung vorziehen, wo es am meisten giebt. In der That, 
er mag es; nur dass, wenn er zu viel darin thut, das Gefühl der 
Unwahrscheinlichkeit beim Zuschauer überwiegend wird, und die 
Freude an der naturgetreuen Erfüllung der Idee des Gegenstandes 
mehr verkürzt wird, als durch die Freude, ein schönes Gesicht 
mehr zu sehen, gewonnen wird; daher der Maler besser thun 
kann, lieber eins weniger, als eins mehr zu malen; abzählen lässt 
sich's freilich nicht, wie viel. Ja er kann es in seinem Vortheil 
finden, alle schönen reizenden Gesichter bei Seite zu lassen, wenn 
er eine Scene darstellt, wo sie doch gewöhnlich fehlen und mit 
der Natur der Scene nichts zu schaffen haben; nur muss er dann 
ein Interesse auch abgesehen davon in die Scene zu legen und um 
so mehr durch naturgetreue Charakteristik zu befriedigen wissen. 
Beides freilich vermögen viele Künstler nicht, und so sind 
manche Genrebilder der Art, dass sie ihren ganzen Reiz nur der 
Schönheit oder Anmuth der darin auftretenden Personen ver- 
danken, die dadurch, dass sie der Scene unwesentlich und an sich 
fremd, wenn nicht gar widersprechend ist, eine Einbusse an der 
Kraft der Wahrheit mitführt, welche ein so wesentliches Lebens- 
moment der Schönheit ist. Man kann zwar an solchen Bildern 
immer noch von gewisser Seite Gefallen finden, wenn sie nicht 
durch zu starken Widerspruch mit der Wahrheitsfoderung ver-
	        
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