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Braut zu malen. Man heirathet am liebsten ein hübsches Mädchen,
man malt sie am liebsten und sieht die gemalte am liebsten. Wo
gar kein Interesse an einer Scene vorliegt, ist sie überhaupt nicht
zu malen, und meist gipfelt das Interesse an einer Scene in einer
Person als Gentrum der Beziehungen darin. Dadurch nun, dass die
Braut hübsch ist, gewinnt sie nicht nur selbst, sondern gewinnen
auch alle Beziehungen dazu an Interesse und Reiz. Wenn die
bäuerliche Braut aber nicht blos hübsch sondern auch fein aussieht.
wenn die Brautjungfern und Zuschauerinnen sämmtlich auch hübsche
oder doch interessante Gesichter haben, so haben wir statt einer
Bauernhochzeit nur die Maskerade einer solchen und alle Beziehungen
verlieren durch das Gefühl der Unwahrheit an Interesse und Reiz.
Nil
I1
findet
freilich
hierin
wieder
keine
bestimmte Gränze
statt.
Warum soll es nicht auch unter den Brautjungfern bei Bauernh0ch-
zeiten ein und das andere hübsche Mädchen geben, und wenn man in
der Wirklichkeit am liebsten die Hochzeit ansieht, wo es deren am
meisten giebt, warum soll nicht der Maler eine solche in der Idee
und Darstellung vorziehen, wo es am meisten giebt. In der That,
er mag es; nur dass, wenn er zu viel darin thut, das Gefühl der
Unwahrscheinlichkeit beim Zuschauer überwiegend wird, und die
Freude an der naturgetreuen Erfüllung der Idee des Gegenstandes
mehr verkürzt wird, als durch die Freude, ein schönes Gesicht
mehr zu sehen, gewonnen wird; daher der Maler besser thun
kann, lieber eins weniger, als eins mehr zu malen; abzählen lässt
sich's freilich nicht, wie viel. Ja er kann es in seinem Vortheil
finden, alle schönen reizenden Gesichter bei Seite zu lassen, wenn
er eine Scene darstellt, wo sie doch gewöhnlich fehlen und mit
der Natur der Scene nichts zu schaffen haben; nur muss er dann
ein Interesse auch abgesehen davon in die Scene zu legen und um
so mehr durch naturgetreue Charakteristik zu befriedigen wissen.
Beides freilich vermögen viele Künstler nicht, und so sind
manche Genrebilder der Art, dass sie ihren ganzen Reiz nur der
Schönheit oder Anmuth der darin auftretenden Personen ver-
danken, die dadurch, dass sie der Scene unwesentlich und an sich
fremd, wenn nicht gar widersprechend ist, eine Einbusse an der
Kraft der Wahrheit mitführt, welche ein so wesentliches Lebens-
moment der Schönheit ist. Man kann zwar an solchen Bildern
immer noch von gewisser Seite Gefallen finden, wenn sie nicht
durch zu starken Widerspruch mit der Wahrheitsfoderung ver-