Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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in der Hauptsache die schon vorgegebenen Kunstvorbilder und 
sich selbst zu copiren. Hängen daran gewisse Nachtheile, so müssen 
wir uns ja in der Kunst überall unvermeidliche Nachtheile gefallen 
lassen, in so Weit sie höhere Yortheile einbringen; es fragt sich 
nur, in wie weit diess hier der Fall ist. Und sicher würde es mehr 
der Fall sein und möchten wir überhaupt Nachtheile der genannten 
Art wenig spüren, wenn sich die ldealisirung überall nicht weiter 
erstreckte, als bis wohin die Idee ihr Vorschub leistet, sich also 
auf wirklich ideale Persönlichkeiten beschränkte. Auch da ss e lbe 
schöne oder edle Gesicht sieht man gern oft und ohne Ueberdruss 
im Leben an, warum nicht eben so in der Kunst, und warum nicht 
um so lieber hier, wenn es doch nicht ganz dasselbe bleibt. Aber 
auch im Leben würde man es nicht mögen , dass Alles, was sich 
nicht von Natur schön genug dünkte, schöne Masken trüge, und 
Wäre ein ganzes Volk fast gleich schön, so würde der Reiz verloren 
gehen, der in derAbstufung des Niedern bis zum Gipfel liegt, und 
die Kraft verloren gehen, mit der sich der Eindruck hierin gipfelt. 
YVarnm aber sollte es auch hierin anders in der Kunst als im Leben 
sein? Wir brauchen im Grunde in der Kunst nur einen idealen 
Christus; aber viel Volks in weitem Abstande von Christus; und schon 
Abschnitt XXIlI. gab Gelegenheit zuBemerkungen in diesem Sinne. 
Unstreitig übrigens ist eine Unterscheidung in der Schätzung, 
zu machen zwischen Künstlern, welche die Idealgestalten erst zur 
Vollendung ausgebildet haben, und den nachgeborenen Künstlern, 
welche nichts Besseres aber auch nicht viel Anderes thun können, 
als wiederzugeben, was sie von jenen fertig empfangen haben. 
Indem wir dem aufwärts steigenden Gange der Kunstentwickelung 
folgen, sehen wir in jenen mit Freude und Bewunderung die Schön- 
heit, Anmuth, Kraft der menschlichen Gestalt und Bewegung zu 
einer seitdem nicht überschrittenen Stufe erhoben, und lassen den 
Anspruch auf eine Abwägung und Abstufung der Höhe, die wir 
nicht entsprechend bei ihnen finden, zum Theil auch in dem Ge- 
biete ihrer Darstellungen nicht zu suchen haben, gern fallen. Sie 
waren im Aufsteigen neu und gross. Indem wir aber die spätem 
idealistischen Künstler immer auf derselben Stufe von geringer- 
Ausdehnung sich heruinbewegen sehen, welche von jenen als 
Gipfel erreicht ist, wie wenn die Höhe des Berges blos aus seinem 
Gipfel bestünde, befällt uns endlich leicht ein Ueberdruss, den wir 
uns hüten müssen in verkehrendem Rückblick auf die Werke jener
	        
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