Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

Nun ist die Sache die, dass die zweitellosesten Repräsentanten der Archi- 
tektur, woran sich derBegrifTder Architektur vornämlich geknüpfthat, wirklich 
alles das in sich vereinigen, was von Kant, Hegel, Lotze zum Begriffe des 
architektonischen Werkes gefodert wird. Aber nicht überall mm das Alles 
zusammen, und nun fodern Kant und Hegel weniger, Lotze mehr davon, als 
sich mit dem geläufigen Begritfsgebrauche vertragen dürfte. Denn nach die- 
sem möchte man jeden Tempel, jede von der Aussenwelt abschliessende 
menschliche Wohnung nach kunstmässiger Herrichtung noch ein Werk der 
Architektur nennen, wenn sie auch nicht aus discretem Material gefügt oder 
auf fester Ebene gegründet sind. Von andrer Seite möchte man jeden aus 
discretem Material kunstmässig gefügten, auf einer festen Ebene gegründeten 
Gegenstand ein Bauwerk nennen, auch wenn er kein Tempel und keine 
menschliche Wohnung ist, so die Pyramide. Somit schienen alle drei Fode- 
rungen unwesentlich zu sein, da bald die eine bald die andre fallen kann. 
ohne dass der Begriff des Bauwerkes fallt. Wollte man aber alle zugleich 
fallen lassen, so käme man aus dem Gebiete der für die Hauptrepräisentaxiten 
der Architektur eharakteristischsten Merkmale so weit heraus, dass man sich 
vielmehr nach einer andern Kunst zur Unterordnung umzusehen hätte. 
Bei einem monolithischenObelisken und so manchen aus Stein gehauenen 
Denkmälern kann es hienach ganz zweideutig erscheinen, ob sie vielmehr zur 
Architektur oder zur Plastik zu rechnen. Denn die entschiedensten Repräsen- 
tanten der Plastik vereinigen die Merkmale in sich, Abbilder des Organischen, 
insbesondre Menschlichen zu sein und vielmehr durch Subtraction als Addi- 
tion des Materials zu entstehen. Der Obelisk aber, indem er nur das letztre 
Merkmal mit der Plastik theilt, schliesst sich dagegen in der Abwesenheit des 
ersten und der dem plastischen Werke häufiger fehlenden als zukommenden 
festen Gründung im Boden um so entschiedner den Hauptrepräsentanten der 
Architektur an. 
Solche Uebergangsglieder von zweifelhafter Stellung kommen dann auch 
zwischen andern Künsten vor. Plastik und Malerei gehen durch sehr flache 
farbige Basreliefs, Architektur und Gartenkunst durch die lebendigen Lauben, 
Poesie und Rhetorik durch rhetorische Poesie und poetische Reden in einan- 
ander über. 
Nächst den Unterschieden und Uebergängen zwischen den 
verschiedenen Künsten können die Verbindungen derselben den 
Aesthetiker beschäftigen. Es kann sein, dass eine Kunst die 
andere nur als Accompagnement mitnimmt oder nach besondern 
Beziehungen in Dienst nimmt, oder dass sie eine vollständige Ehe 
zu einer gemeinsamen Leistung damit eingeht; doch kann sich 
nicht jede Kunst gleich vortheilhaft mit jeder andern verbinden. 
lndess Tanz ohnegMusik kaum zu bestehen weiss, ein lyrisches 
Gedicht als gesungenes Lied seinen Eindruck hoch gesteigert fin- 
det, hat man zwar mehrfach versucht, den Eindruck von Malerei 
durch Musik zu heben; aber wenn sich nicht lueiiles mehr störte
	        
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