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durch ein conventionelles Symbol, wie das Dreieck in einem Licht-
schein oder die aus den Wolken herabgestreckte Hand darstellen.
Daher wird man auch nie eine Statue von Gott, einen gemalten
_Kopf von Gott besonders sehen; während es selbst noch von
Christus und von Maria solche giebt. Soll aber das Weltgericht,
soll die Schöpfungsgeschichte dargestellt werden, so kann die Dar-
stellung Gottes nicht entbehrt werden, und die Darstellung solcher
Scenen kann nicht entbehrt werden, ohne die Kunst so zu sagen
um das Haupt zu kürzen.
Uebrigens kann man die Wirkung des Conflictes leicht in so
manchen Aussagen über den Eindruck, den die vorzüglichsten
Darstellungen Gottes machen, linden.
Auch wo die Idealisirung im jetzigen Sinne am Platze ist, hat,
sich der Künstler doch zu hüten, die Gräinze des in der Natur mög-
lich Scheinenden zu überschreiten, um nicht das Gegentheil seines
Zweckes zu erreichen. Jeder sagt sich sofort, dass, wenn der Ge-
sichtswinkel des Jupiter über eine gewisse Gränze hinaus über-
trieben würde, wir vielmehr eine Missgestalt als einen erhabenen
Gott würden zu sehen glauben. Ein grosses Auge in einem ver-
hältnissmässig kleinen Gesichte erscheint gegenüber einem kleinen
Auge in einem grossen Gesichte geistvoll oder seelenvoll. Aehn-
liches gilt von der Höhe der Stirne und dem Verhältniss des ganzen
oberen Kopftheiles zum unteren. Hiegegen ist der ideale Mund
nicht nur kleiner, sondern auch geschwungener als der gewöhn-
liche. Der Künstler bemerkt dergleichen gar wohl und macht von
solchen Bemerkungen Gebrauch. Aber Weder die Grösse noch
Kleinheit noch Schwingung des einen oder andern Theiles. darf
übertrieben werden. Die Schönheit liegt ja überall in einem ge-
wissen Masse zwischen einem zu viel und zu wenig, und wenn die
Natur sich in den unvollkommnere n Bildungen vorzugsweise
an das zu Wenig oder zu Viel hält, so wird die ldealisirung nach
entgegengesetzter Richtung zu gehen und doch nicht zu weit darin
zu gehen haben.
Unter den Nachtheilen, welche jede idealisirende Darstellung
im jetzigen Sinne, selbst die berechtigte, um so mehr die unbe-
rechtigte zu überwinden hat, und welche beitragen müssen, die
Berechtigung derselben in engere Grenzen, als in denen sie sich
zu halten pflegt, einzuschränken, ist folgender von besonderer
Wichtigkeit.
Sil-