Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

halten wird, als was der Künstler darzustellen vermag. Beide 
Nachtheile machen sich wirklich geltend, der eine mehr bei den 
in höherem Sinne religiös Gebildeten, der andere bei den roheren 
Naturen. Die Gegengewichte gegen diese Nachtheile aber liegen 
in Folgendem. Unwillkührlich anthropomorphosirt der Mensch 
doch das Göttliche, und es kann nur von Vortheil gelten, wenn 
die Kunst es in würdigerer Weise anthropomorphosirt verführt, 
als die kunstlose Phantasie für sich es darzustellen vermocht hätte. 
Der rohe Mensch verliert nichts, wenn ihm diese würdigere Vor- 
stellung für seine unwürdige geboten wird; und die Bildung sorgt 
von selbst dafür, dass das Bild nicht als wirkliches Abbild, son- 
dern als Symbol dessen, was es eigentlich darzustellen gilt, auf- 
tritt. Wer von uns meint denn, dass Gott wirklich so aussieht, 
wie er gemalt wird. Und wo böte sich anderseits die gleiche Mög- 
lichkeit, das Menschliche in grösster Schönheit, Erhabenheit, Würde,  
Anmuth darzustellen, der Menschheit Muster der Menschheit gegen- 
überzustellen, als in künstlerischer Darstellung religiöser, mytho- 
logischer und überhaupt die irdische Wirklichkeit übersteigender 
Persönlichkeiten. Muss man auch zugestehen, dass das Göttliche, 
seiner Wesenheit nach betrachtet, dadurch herabgezogen wird, so 
wird das Menschliche dadurch heraufgezogen. Gewohnheit, Bildung 
lässt uns jenen Nachtheil bald nicht mehr spüren, indess sie uns 
diesen Vortheil immer spüren lässt. 
Die Idee des christlichen Gottes freilich ist so erhaben, dass 
man sagen kann, er stehe an der Gränze dessen, was sich die 
Kunst im Wege der Idealisirung des Menschlichen darzustellen er- 
lauben kann; und niemals wird sie damit eben so befriedigen 
können, als mit der Darstellung untergeordneter idealer Persön- 
lichkeiten. Ja, wollte die Kunst versuchen, ihn eben so für sich 
darzustellen, wie die Heiden ihre Götter darstellten, so möchten 
in der That die Nachtheile überwiegend werden. Seine Darstel- 
lung wird nur so zu sagen möglich dadurch, dass wir ihn im Zu- 
sammenhange darstellen als Gipfel, Centrum oder Haupthebel einer 
Scene im Himmel oder auf Erden, wo die Federung, ihn seiner 
eigenen Idee geniäss darzustellen, gegen die Federung, diesen Zu- 
sammenhang in ihm abzuschliessen, zu gipfeln, zu centriren, zu- 
rücktritt, und der Abfall von jener Federung demgemäss minder 
leicht verspürt wird; wogegen der Bruch des anschaulichen Zu- 
sammenhanges stark gespürt werden würde, wollten wiir Gott nur
	        
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