geben könnte, und als wenn hierin die rechte ldealisirung läge.
Wogegcn mir scheint, dass der Porträtmaler, um nicht in ein über-
all verwerlliches Schmeicheln hineinzugerathen und doch über
eine interesse- und bedeutungslose realistische Darstellung hinaus-
zugehen, nur die Wahl hat, ein Gesicht entweder so darzustellen,
wie es in einem seiner glücklichsten Momente, oder wie es in einem
seiner charakteristischsten Momente, wo ein vorstechender Zugdes
Menschen auch zum vorstechenden Ausdruck kommt, oder wo es
in einem mittleren, so zu sagen Gleichgewichtsmomente zwischen
seinen verschiedenen Ausdrucksweisen überhaupt erscheinen
kann, möglicherweise wirklich einmal oder dann und wann so
erscheint, und dass eine mystische Kraft der Kunst, mehr zu leisten,
als die Wirklichkeit in dieser Hinsicht nach den vorgegebenen phy-
siologischen und psychologischen Bedingungen zu leisten vermag,
zwar derselben oktroyirt, aber Weder theoretisch begründet noch
in der Erfahrung nachgewiesen werden kann.
im Allgemeinen wird es für jeden Menschen Momente geben,
wo der Maler nichts Besseres thun könnte, als dessen Gesicht so
wiederzugeben, wie es wirklich ist, so weit überhaupt die Mittel
der Malerei reichen, und es nicht vorzuziehen scheint, ein etwa
unangenehm auflallendes Härchen oder Fleckmal, was mit dem
wesentlichen Eindruck, um dessen Aufbehaltung es zu thun ist,
nichts zu schaffen hat, wegzulassen, als diesen Eindruck dadurch
zu stören. Nur ist hundert gegen eins zu wetten, dass die Person
weder wenn sie dem Maler sitzt, noch wenn er mit ihr nur in zu-
falligen Lebensbeziehungen zusammentrifljt, demselben in einem
solchen Momente gegenübertritt, in dem sie aus dem einen oder
anderen Gesichtspuncte gemalt zu werden verdiente.
Und wenn es schon eine hohe und schwierige Aufgabe für den
Maler ist, die Person in einem solchen, in Wirklichkeit doch nur
flüchtig vorübergehenden, Momente in derVorstellung festzuhalten,
um sie möglichst getreu wieder zu geben, ist es eine um so höhere
und schwierigere Aufgabe, aus den Momenten der Erscheinung,
die ihm die Wirklichkeit verführt, eine andere, der Festhaltung
würdigere, zu construiren, welche ihm die Wirklichkeit vorführen
würde, wenn er ihr nur im rechten Momente begegnete. Verlangt
man nun doch diess vom Künstler, indem man eine ldealisirung
im ersten Sinne von ihm fodert, so wird man sehr viel, doch viel-
leicht nicht zu viel von ihm verlangen. Wenn man aber meint,