Puncte zusammen, die nicht überall zusammentreffen, sondern sich
in andern Werken auch wohl trennen , um sich anders zu combi-
niren; wonach man nur im Allgemeinen sagen kann: je mehr von
den Merkmalen, welche den zweifellosen Repräsentanten einer
Kunstgattung zukommen, in einem Werke zusammentreffen, desto
mehr wird man geneigt sein müssen, es noch zu derselben Gattung
zu rechnen, und wird es so lange thun dürfen, als nicht in noch
mehreren oder wichtigeren Beziehungen ein Zusammentreßen mit
den Merkmalen entschiedener Repräsentanten einer andern Gattung
stattfindet. Wo aber das Mehr und Wichtigerebeginnt, kann oftnur
Sache eines unbestimmten Apercu sein.
Es mag nützlich sein, diesen für die begriffliche Auseinandersetzung der
Künste wichtigen Gesiehtspunct an einem besondern Beispiele zu erläutern.
Nehmen wir es von der Architektur her. Lotze zeigt in s. Geschichte (S. 505),
wie die Bestimmungen, die Kant und Hegel von der Baukunst geben, den
Begriff derselben zu weit fassen lassen, indess man fragen kann , ob er nicht
von ihm selbst zu eng gefasst wird.
nBegriffe von Dingen sagt Lotze die nur durch Kunst möglich sind,
und deren Form nicht in der Natur, sondern in einem willkürlichen Zwecke
ihren Bestimmungsgrund hat, soll nach Kant die Baukunst ästhetisch wohi-
gefällig machen und zugleich jener willkürlichen Absicht anpassend ver-
wirklichen. Hegel aber findet ihre allgemeine Aufgabe darin , die äussere
unorganische Natur so zurecht zu arbeiten, dass sie als kunstgemässe Aussen-
welt dem Geiste verwandt Seim Aber, macht Lotze mit Recht geltend, nach
Kant würde auch die Erzeugung alles Hausgeräthes, sogar eines weissen
Blattes Papier, nach Hegel Strassen, Canäle, Eisenbahnen, Gärten und Parke
Erzeugnisse der Architektur sein, njede Ansicht aber sei verdächtig, die sich
in so grellen Widersprüchen gegen den Sprachgebrauch bewegeß Lotze sei-
nerseits findet Baukunst überall da, nWO eine Vielheit discret bleibender
schwerer Massenelemente [als namentlich Bausteine] zu einem Ganzen ver-
bunden ist, das durch die Wechselwirkung seiner Theile sich auf einer un-
terstützenden Ebene im Gleichgewichte hält", nWerke der Baukunst ent-
springen immer aus Addition nicht aus Subtraction." Dazu tseheine
die Architektur als Kunst noch zu verlangen, dass das Gleichgewicht ihres
ganzen Werkes nicht durch mancherlei verschiedene Kunstgriffe erzwungen,
sondern durch die Gewalt eines einzigen Princips und seiner zweckmässigen
Anwendung gesichert werde." Hienach würden die in den Felsen gehauenen
Tempel der Inder und selbst manche Wohnungen, die man hier und da in
Felsen gehauen findet, von der Architektur ausgeschlossen sein; doch wird
man in Verlegenheit sein, sie anders unterzubringen , trotzdem dass sie viel-
mehr durch Subtraction als Addition des Materials entstanden sind; auch
würden so viele Häuser der Chinesen , die sich auf Flüssen schaukeln, nicht
mehr als Bauwerke gelten können, wenn das Gegründetsein auf festem Boden
zum Charakter eines Bauwerkes gehörte, und wohin sie doch sonst zählen?