Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

unbekleidet vorgestellt. Es würde einiges Interesse haben, den 
Motiven hieven näher nachzugehen, jedoch ein besonderes Studium 
und eine eigene Abhandlung federn. Beschränken wir uns hier. 
das Gewand aus dem zweiten Gesichtspuncte der Stilistik etwas 
näher in Betracht zu ziehen. 
Es giebt so unordentlich zerknitterte gegenüber so schön fal- 
lenden Gewändern, dass man davon einen ähnlichen Eindruck wie 
von einem widrigen Geräusche gegenüber einem reinen Tonfalle 
hat. Es giebt Gewänder mit so hart und eckig gebrochenen Falten, 
dass das Auge bei jedem Fortschritte darüber stolpert, und wieder 
andre mit so parallelen Falten, dass es eben so gerne den Zinken 
eines Kammes folgte, beides nicht selten bei alten Madonnenlail- 
dern. Es giebt so steif bauschige Gewänder, dass sie vom Körper 
und den Seelenbewegungen nichts durchscheinen lassen, dass wir 
eben nur das Kleid, was "für sich zu sehen kein Interesse hat, nicht 
die Person darunter sehen. Es giebt hiegegen Kleider, welche den 
Körper so futteralartig einschliessen, das wir nur das Spiel des 
nackten Körpers, aber nichts von einem Spiele des Körpers mit 
dem Kleide, in welches jenes Spiel sich fortzusetzen und so zu 
sagen auszuhlühen vermag, wahrnehmen. Alles das, und selbst. 
eine zu grosse Annäherung daran hat der Stil zu vermeiden. Nur 
freilich ist mit Vermeidung solcher Fehler d. i. Annäherungen an 
Extreme, der rechte Stil noch nicht gefunden; und nun hört man 
viel von einem Rhythmus der Linien in der Gewandung, dem Fal- 
tenwurf sprechen, ohne je im Stande gewesen zu sein, ihn anders 
als durch seine gefallende Wirkung und unbestimmte Ausdrücke 
zu charakterisiren. Meinerseits scheint mir diese gefallende NVir- 
kung, nächst Vermeidung jener Extreme, Wesentlich dax on abzu- 
hängen, dass wir erstens fühlen, die ganze Mannichfaltigkeit des 
Faltenwurfes stehe unter dem ordnenden Einflüsse eines einheit- 
lichen psychischen Principes, welches die ganze Gestalt stellt, be- 
wegt und das Kleid unter Wahrung der natürlichen Bedingungen 
seines Stoffes mit bewegt, zweitens, dass uns diess psychische 
Prineip selbst Beifall abgewinnt. Von erster Seite ist es die ein- 
heitliche Verknüpfung des Mannichfaltigen, was uns gefällt; aber 
die Lust daran möchte leicht unter der Schwellelbleiben, wenn sie 
sich nicht dadurch von zweiter Seite steigerte, dass wir in der 
Ordnung der Falten eine Ordnung des Geistes herausfühlen, die 
uns gefällt. Ein grossartiger, ein würdiger, ein anmuthiger, ein
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.