Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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hinwendet, noch dass der Arm dem Bein gleich gehe. NVo ferner sich der 
Kopf gegen die rechte Achsel wendet, so machet, dass sich seine Theile ein 
wenig von der linken Seite abneigen. S0 die Brust sich aufwärts kehrt, so 
drehet den Kopf gegen die linke Seite, und die Theile der rechten Seite sollen 
viel höher sein, als die von der linkenß 
Aber nicht die Verhältnisse von Figuren allein sind es, in- 
denen sich das stilistische Bedürfniss, der Langweiligkeit zu weh- 
ren , geltend macht. Jede grössere leere oder monotone Fläche in 
einem Bilde droht in dieser Hinsicht Gefahr und muss so viel es 
irgends der Sinn des Bildes erlaubt, vermieden werden; ja es kann 
das stilistische Bedürfniss in dieser Hinsicht dringend genug wer- 
den, um selbst von der sachlichen Angemessenheit mehr oder 
Weniger zu opfern,'und Alles mehr zusammenzurücken, als es 
der Natur der Sache nach sein könnte, wobei übrigens auch das Be- 
dürfniss, Vieles in engem Raume übersichtlich zusammengehal- 
ten zu geben , in Rücksicht kommt; man kann aber auch zu Weit 
darin gehen, und durch zu dichte Ausfüllung des Baumes mit der 
stilistischen Rücksicht von erster Seite, Alles klar auseinander zu 
halten, in Contlict gerathen. Erwähnen wirEiniges beispielsweise: 
Ein nettes erläuterndes Beispiel der Anwendung und Wirkung 
jetziger Stilregel kann man in dem lose um die 'l'aille der Holbein- 
sehen Madonna geschlungenen und in langen Zipfeln herabhäingen- 
den rothen Bande finden. Sachlich war es nicht gefodert; aber" 
man denke es sich weg, und man hat eine grosse Einöde in dem 
langfaltigen dunkeln Gewande, die nun durch diess einfache Mittel 
anmuthig belebt worden ist. In dem Darmstädter Exemplare ist 
überhaupt Alles enger zusammengeschoben, im Dresdener mehr 
auseinandergehalten. Der Conflict zwischen beiden Stilvortheilen 
macht sich hier dadurch geltend, dass Manche die vollkommnere- 
Baumausfüllnng dort, Andere, denen ich mich anschliesse, die 
klarere Auseinanderhaltung hier vorziehen. In manchen andern 
altdeutschen Bildern aber ist der Baum so mit durcheinandergc- 
schobenen Figuren ausgefüllt, dass alle Klarheit verloren geht. 
Entsprechendes kann man freilich auch von antiken Reliefs an Sar- 
kophagen bemerken; aber ich glaube, dass hiebei hauptsächlich 
folgendes Motiv bestimmend war. Die Wand eines Sarkophags hat 
die Haupthestimmting, den Todten einzuschliessen, und nur die 
Nebenbeslimmung, ein Bildwerk aufzunehmen. Tritt diess in ein- 
zelnen Vorragungexi hervor, und stört dadurch erheblich die gleich--
	        
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