Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 2)

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Ausdruck, neben oder hinter einander knieen, oder auch so manche 
photographische Familienbilder, wo alle Glieder, um sich ganz voll 
zu prasentiren, pappelartig neben einander in aufrechter Stellung 
oder sitzend mit aufrechtem Oberkörper, geradegehaltenem Kopfe, 
das Gesicht dem Beschauer zuwenden, was freilich nicht blos ge- 
gen den Stil, sondern zugleich gegen die sachliche Angemessenheit 
ist, denn es giebt kein natürliches Verhältniss, welches die Glieder 
einer Familie veranlassen könnte, sich so zu einander zu stellen 
oder neben einander zu setzen; wäre es aber der Fall, so dürfte 
es doch aus stilistischen Gründen nicht zum Abbild gewählt wer- 
den, weil es an sich durch Monotonie ungefällig ist. Auch suchen 
etwas künstlerisch gebildete Photographen dem Stilnachtheil da- 
durch zu begegnen, dass sie die Personen so zurecht rücken und 
schieben, dass eine gewisse Mannichfaltigkeit der Stellungen und 
Wendungen dabei herauskommt, nur dass sie freilich nicht damit 
erzielen können, was der Künstler erzielt, Wenn er die Figuren aus 
einem einheitlichen Gesichtspuncte in seinem Kopfe so stellt, dass 
die Mannichfaltigkeit der Stellungen und Wendungen nur als die 
natürliche Gliederung eines solchen Gesichtspuncts erscheint, und 
die Idee vielmehrdadurch in Einzelnheiten ausgeführt wird als in 
Solche zerfährt. 
Nun muss man sich freilich nicht einbilden, dass den Künst- 
lern im Zustande der Begeisterung überall gleich diese vortheil- 
hafteste Ausführung vorschwebt, mag es auch bei genialen Künst- 
lern in glücklichen Momenten der Fall sein  in der Begeisterung 
für die Kunst traut oder muthet man der Begeisterung des Künst- 
lers in der That leicht zu viel zu  Die Künstler wissen aber 
sehr wohl, dass ein Theil des Reizes der Ausführung in der Ver- 
mannichfachung liegt, und die Stellung der Figuren im Kopfe der 
meisten Künstler auf Grund dieses Wissens mag sich von der 
iiusseren Stellung durch den Photographen mit Hin- und llerschie- 
ben und Rücken oft blos dadurch zum Vortheil unterscheiden, 
dass die inneren Figuren nicht so unbeholfen und unvollständig 
den Versuchen nachgeben als die äusseren, kurz dass der Künst- 
ler sie mehr in der Gewalt hat. Dass aber in der That diese Stil- 
regel oft vielmehr nur nach einem äusserlichen Wissen von der- 
selben als einem Gefühl, das auch die Gränzen ihrer Anwendbar- 
keit kennt, befolgt wird, ergiebt sich daraus, dass die Gränzen 
nicht selten überschritten werden. Zum Beispiel: 
 Fechner, Vorschule Cl. Aestlietik. II. 7
	        
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