Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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des Unterscheidungsvermögens, dem Grade des Fassungsvermögens 
höherer und verwickelter Beziehungen, der Gesammtintensität der 
ins Spiel gesetzten geistigen Thätigkeit. So kann es sein, dass von 
einer ausgedehnten objectiven Manniehfaltigkeit nur wenig ins 
Auge gefasst wird, die Aufmerksamkeit von diesem oder jenem 
Gesichtspuncte sei es der Einheit oder Mannichfaltigkeit nicht oder 
wenig afficirt wird, ein höherer einheitlicher Gesichtspunct einem 
zu niedern Fassungsvermögen überhaupt entgeht. 
Man übersieht hieraus, dass bei der Anwendung unsers Prin- 
cipes sehr complicirte Verhältnisse ins Spiel kommen. Rechnen 
wir noch hinzu, dass die Wohlgefälligkeit eines Gegenstandes, die 
wir danach beurtheilen möchten, nicht blos nach dem Grade dcr 
Lust, die er zu gewähren vermag, sondern auch nach der Dauer, 
durch welche er sie zu gewähren vermag, also nach dem Product 
beider zu beurtheilen ist, beide Factoren aber nicht allgemein von 
gleichen Bedingungen abhängen, so wird man nicht erwarten kön- 
nen, dass sich der ästhetische Erfolg des Principes in jedem ein- 
zelnen Falle mit Bestimmtheit voraussagen und Vergleiche danach 
überall mit Sicherheit ziehen lassen. Inzwischen hindert das nicht, 
folgende Sätze in so Weit als allgemeingültig aufzustellen, als dabei 
von Conflicten abgesehen wird, welchen unser Princip mit andern 
Principen unterliegt.  
a) Jede unsre Aufmerksamkeit beschäftigende einheitliche 
Verknüpfung ist im Sinne der Lust, sofern sie nicht Anspruch 
macht, uns zu lange oder in zu grosser Ausdehnung zu beschäf- 
Ligen. 
b) Das Gefallen an Gleichförmigkeit oder gleichförmiger Wie- 
derholung nimmt allgemeingesprochen bis zu gewissen Gränzen 
mit wachsender Extension derselben in Raum oder Zeit zu, über 
gewisse Gränzen hinaus aber ab. Doch kann das Gefühl der Mo- 
notonie sich auch schon bei einmaliger Wiederholung geltend 
machen.  
So werden wir uns bis zu gewissen Gränzen lieber mit dem 
Auge in einer grösseren reinen oder tapetenartig gemusterten 
Fläche ergehen wollen, als in einer kleinern; doch begränzen wir 
die Einförmigkeit der Farbe oder des wiederholten Tapetenmusters 
unserer Stubenwände durch Bordüren und Lamperieen oben und 
unten, und unerträglich würde es uns sein, wenn sich dieselbe
	        
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