Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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fällt, ungeachtet er dem Principe einheitlicher Verknüpfung so gut 
genügt als eine reine Farbenfläche, der reine Zug einer Linie, ein 
rein ausgehaltener Ton. Der rein bittre Geschmack u. s. vv. miss- 
fällt uns aber nicht, weil in der Reinheit an sich etwas Missfälliges 
läge, sondern weil mit seiner Reinheit die Quantität der von der 
Qualität abhängigen Unlustwirkung wächst. In diesem einfachsten 
Falle reducirt sich nämlich die stoffliche oder sachliche Seite ein- 
fach auf die Qualität. Hiegegen kann man die Wohlgefälligkeit, 
welche der reinen Farbenfläche, dem reinen Zuge einer Linie, 
einem rein ausgehaltenen Tone zukommt, nicht eben so auf deren 
Qualität abgesehen vom Princip der Einheit schreiben, da man 
sonst durch unregelmässige und regellos zerstreute Kleckse von 
einer an sich wohlgefälligen Farbe jede gleichförmige Fläche müsste 
verschönern können, was nicht der Fall ist; da ferner eine rein und 
scharf gezogene Linie uns besser gefällt als eine unsicher und 
schwankend gezogene, ungeachtet die Qualität der Linie beides- 
falls gleich ist; und da wir noch lieber einen Gesang mit einem 
rauben Tone von sich gleichbleibendem Charakter hören, als einen 
solchen mit unregelmässig sich einmischenden an sich wohlge- 
falligen, aber aus jenem Charakter heraustretenden Tönen. 
Verlangt man gegentheils ein einfaches Beispiel von sachlicher 
Unterstützung unsers Princips, so braucht man nur darauf zu 
weisen, dass (abgesehen von Associationen, welche den Erfolg 
ändern können) dieselbe Fläche uns besser gefällt, wenn sie mit 
einer tiefen oder feurigen reinen Farbe als mit reinem Grau oder 
gar Schwarz überzogen ist. 
Durch Voriges sind wir aber aufmerksam gemacht, dass wir 
überhaupt überall nicht blos auf das Dasein der einheitlichen Ver- 
knüpfung, sondern auch die Beschaffenheit des einheitlich Ver- 
knüpften zu achten haben, um den ästhetischen Erfolg im Ganzen 
richtig zu beurtheilen ; denn was uns in dieser Beziehung Beispiele 
aus dem niedersten ästhetischen Gebiete lehrten, findet seine An- 
Wendung nicht minder auf die höchsten Gebiete; wonach Kunst- 
werke, welche dem Principe der einheitlichen Verknüpfung im 
Sinne der Lust genügen , uns doch ebenso durch ihren widerwär- 
tigen Inhalt noch missfallen, wie aber auch gegentheils durch einen 
wohlgefälligen Inhalt um so besser gefallen können. 
Wo formale und sachliche Seite des Gefallens sich unter- 
stützen, findet eine Steigerung des Wohlgefallens nach dem Hülfs-
	        
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