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man wird nicht müde dem zuzusehen. Aehnlich ist es mit den
Evolutionen und Manoeuvers der Soldaten. Ja selbst den Be-
wegungen eines in starkem Winde flackernden Wimpels kann man
eine Zeit lang mit Unterhaltung und Interesse folgen, wie er bald
sich flach ausbreitet, bald sich aufbauscht," bald sich in sich ver-
schlingt, dass man meint, er könne nicht wieder auseinander,
dann sich doch wieder löst, eine neue Verschlingung eingeht, jetzt
sich nach oben aufbäumt, dann wieder nach unten, nach den
Seiten getrieben wird. Im Jahre 4870 gab der bei jeder neuen
Siegesnachricht sich wiederholende Flaggenschmuck der Hauser
oftgenug Gelegenheit, sich mit diesem Schauspiel zu unter-
halten.
In allen diesen Fällen handelt es sich nicht um eine rein
ZEP-
splitterte Mannichfaltigkeit; vielmehr wird die Zusammengehörig-
keit aller Theile objectiverseits bei dem Fluge der Tauben oder
Staare durch ihren Geselligkeitstrieb, bei den Evolutionen und
Manoeuvres der Soldaten durch den Willen des Commandirenden
und die Absicht der Manoeuvres, bei der flatternden Flagge durch
die Kraft des materiellen Zusammenhanges vermittelt, und ein
einheitlicher Eindruck hievon bleibt subjectiv durch alle Wechsel
durch bestehen; aber das Vergnügen der Unterhaltung wächst
nicht mit dem Eindrucke dieser sich immer gleich bleibenden ein-
heitlichen Verknüpfung, sondern mit dem der Mannichfaltigkeit.
Zu den wirksamsten Mitteln, der Monotonie an den Gegen-
ständen zu begegnen, gehören Verzierungen. Um geschmackvoll
zu sein, müssen solche immer durch eine einheitliche Beziehung
zur Form, zum Zweck des Gegenstandes oder den Verhältnissen, mit
denen in Zusammenhang er zu betrachten ist, motivirt sein, also
sich dem einheitlichen Eindrucke desselben vielmehr unterordnen
als denselben schädigen; insoweit sie aber diese Bedingung er-
füllen, werden sie allgemeingesprochen den Gegenstand um so
wohlgefälliger erscheinen lassen, je mannichfaltiger sie sind.
In Kunstwerken, wo ein ganzer Aufbau höherer Beziehungen
über niederen mit einem Abschlusse in der Idee des Kunstwerkes
statt findet, wächst die Mannichfaltigkeit mit der Höhe dieses Auf-
baues nicht nur vermöge Vermehrung der Verschiedenheiten des
unterliegenden sinnlichen Materials, sondern auch der Stufen der
darüber aufsteigenden Beziehungen, kurz ausgedrückt nicht blos
nach der Breite sondern auch nach der Höhe. Hienac-h liegt