Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

Schnitt, Wellenlinie, Schneckenlinie, Mäander, Tapelen- und 
Teppichmustern von mancherlei Art, Versmass, Rhythmus, Beim. 
Durch jedes Aufsteigen zu einem höheren Einheitsbezuge 
über der Gleichförmigkeit wird der niedre der Gleichförmigkeit 
selbst verletzt, indem der höhere nur zwischen einer grösseren 
als blos räumlichen und zeitlichen Verschiedenheit von Theilen 
bestehen _kann. Hiedurch wird an'Mannichfaltigkeit gewonnen, 
und für den Bruch des niederen Einheitsbeznges tritt, wie schon 
oben bemerkt, eine Entschädigung durch den höhern ein, 
hiemit der doppelte Vortheil, dass die grössere Mannichfaltigkeit 
der Langweiligkeit weniger leicht und weniger rasch Baum giebt, 
und dass der höhere Einheitsbezug einem höheren geistigen An- 
spruche entgegen kommt. Doch entgehen diese Vortheile nicht 
ganz Nachtheilen, welche unter Umständen überwiegen können. 
Einmal findet sich, dass in manchen Fällen der Bruch des 
niedern Einheitsbezuges mit stärkerem Missfallen empfunden wird, 
als durch das Aufsteigen zum höhern ausgeglichen werden kann; 
zweitens kann die Regel, welche den höhern Einheitsbezug be- 
gründet, so complicirt oder von so hoher Ordnung sein, um nicht 
fasslich zu sein; dann erscheint sie uns vielmehr als Unordnung 
statt als Ordnung; und überhaupt nimmt die Schwierigkeit der 
Auffassung einer einheitlichen Beziehung mit der Höhe derselben 
zu. Zwar bei einem einfachen Muster empfinden wir noch nichts 
von einer solchen Schwierigkeit; doch bleibt der einheitliche Bezug 
der Gleichförmigkeit so zu sagen am aufdringlichsten. Wenn aber 
hienach unter Umständen der einfache Einheitsbezug der Gleicl1- 
förmigkeit in Vortheil gegen einen höhern bleiben kann, ist es doch 
allgemeingesprochen unmöglich, mittelst der erstern die Wohlge- 
fälligkeit so hoch zu steigern, als mit höheren nur nicht zu hohen 
Einheitsbezügen; daher die häufige Anwendung, die man von 
solchen macht. 
So giebt man allen Gefässen, Geräthen, Möbeln eine regel- 
mässige Form, insoweit es der Zweck gestattet, auch selbst, wenn 
er eine unregclmtissige Form eben so gut gestattete; liebt Kleider, 
Teppiche, Wände mit regelmässigen Mustern zu bedecken; giebt 
Möbeln, Bildern an den Wänden eine symmetrische Stellung zu 
einander; cannelirtSäulen; reiht Gitterstäbe nach der Regel u. s. w., 
sucht aber bei alle dem die Vortheile des niedern Einheitsbeznges 
der Gleichförmigkeit noch so gut als möglich dadurch zu wahren,
	        
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