Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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doch um des Zwecks oder andner Nebenbedingungen 
Eckige, ja sogar die scharfe Ecke vor. 
willen 
das 
Wird eine, erst als gleichförmig vorgestellte, weisse oder Far- 
benfläche marmorirt, gestrichelt, getüpfelt, so wächst die Mannich- 
faltigkeit, aber dereinheitliche Bezug aller Theile der Fläche geht 
mehr oder weniger verloren. Ist nun die Variation, welche in die- 
selbe gebracht wird, ganz principlos, werden z. B. hier grosse, 
da kleine, hier regelmässige, da unregelmässige, hier rothe, da 
schwarze Kleckse, dazu geradlinige, krummlinige, geknickte Linien 
unter einander auf der Fläche angebracht, so lehrt die Erfahrung, 
dass das Niemanden gefällt; selbst das Tättowiren der Wilden hält 
Gesichtspuncte der Begelmüssigkeit ein: Beweis, dass mit mög- 
lichster Mannichfaltigkeit allein keine Wohlgefälligkeit zu erzie- 
len ist. Wenn hingegen durch die Marmorirung, Strichelung, 
'l'üpfelung ohne strenge Regel ein gewisser gemeinsamer Charakter 
durchgeht,'und selbst diese Benennungen weisen uns auf einen 
solchen hin, so kann eine solche Fläche nicht nur noch recht wohl 
gefallen, indem der Einheitsbezug, den jener Charakter voraus- 
setzt, zwar minder deutlich als der verloren gegangene der Gleich- 
förmigkeit ist, aber doch noch merklich genug ausgeprägt sein 
kann, um mit Rücksicht auf die vermehrte Mannichfaltigkeit einen 
Lusterfolg zu gehen. Ja Manchem und unter manchen Umständen 
gefällt dergleichen besser als die monotone Farbe, ohne dass sich 
allgemein berechnen lässt, was besser gefallen muss, weil hiebei 
Nebenumstände und subjective Stimmungen mit ins Spiel kommen. 
So ist noch nicht zu lange her, dass man allwärts marmorirte 
Büchereinbände sah, jetzt sieht man solche nirgends. mehr. 
Letztres Beispiel xaber spielt schon in die Betrachtung höherer 
Einheitsbezüge hinein, zu denen wir uns jetzt wenden. 
Am nächsten kommt dem einfachen Einheitsbezuge unge- 
trübter Gleichförmigkeit die gleichförmige Wiederholung gleicher 
einfacher Eindrücke in Baum oder Zeit, wie sie nur angenäherL 
in vorigem Beispiele, entschieden durch ganz regelmässige 
Tüpfelung, Streifung, Cannelirung von Flächen oder regelmässige 
Tactfolge einfacher Gehörseindrücke geboten wird. Darüber hin- 
aus aber begründet jede zusammengesetztere Regel, Gesetzlich- 
keit, Ordnung einen mehr oder weniger hohen und zusammenge- 
setzten Einheitsbezug, beispielsweise in Symmetrie, goldnem
	        
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