Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

Gebiete des Gehörs gilt; doch reicht diese Entschädigung nicht 
überall anderwärls zu. Ein irgendwie intermittirender Lichtreiz 
kann uns durch seine Unterbrechungen geradezu peinlich werden; 
das Hinfahren über eine rauhe Oberfläche, deren Rauhheit doch nur 
auf Unterbrechungen ruht, wird Niemand behagen, und eben so 
missfällt jedem ein unregelmässiges Geklapper. Plötzliche starke 
Aenderungen kommen der völligen Unterbrechung im Effect nahe. 
Also steht allgemein gesprochen alles Bauhe, Grelle, Schroffe, 
Eckige, Abrupte, Zerrissene im Nachtheil der Wohlgefälligkeit 
gegen das Sanfte, Runde, Fliessende, in sich Zusammenhängende, 
aus einander Folgende, durch Uebergänge Vermittelte, und knüpfen 
wir nicht nur unvvillkührlich die Vorstellung einer Ungefälligkeit 
an jene Ausdrücke , sondern brauchen sie auch geradezu zur Be- 
zeichnung einer solchen. 
Der ästhetische Vortheil wie Nachtheil aus vorigen Gesichts- 
puncten kann freilich in unzähligen Fällen durch Gegenwirkungen 
überboten werden. Dass das Weib rundliehere, fliessendere For- 
men hat als der Mann, begründet allgemeingesprochen einen 
Schönheitsvortbeil desselben, der unter den vorigen Gesichtspunct 
tritt, vor dem Manne; aber unmöglich wäre es, die weibliche 
Schönheit allein aus diesem Gesichtspuncte zu verstehen und da- 
nach zu messen. Das dicke fette Weib gefällt uns trotz dem, dass 
es in fliessender Rundung der Formen das schönste, um so mehr 
den schönsten Mann übertrifft, doch schon desshalb weniger, weil 
für eine nicht zu kurze Betrachtung das Bedürfniss der Mannich- 
faltigkeit durch die einfachern Rundungen der Form weniger be- 
friedigt wird, niissfällt uns aber sogar, weil sich an die Formen 
der Corpuleuz die ungefallige Vorstellung von einer Beschwerung 
des Körpers durch eine Masse, die seinen Kräften nichts zusetzt, 
nur seiner freien Beweglichkeit schadet, von überschrittener Ju- 
gend, von trägem Leben knüpft; indess bei Persern und Türken, 
denen träge Ruhe eher gefällt als missfällt, Wegen geringem Bedürf- 
nisses der Abwechselung und Zurücktretens jener Associationen 
junge Mädchen sogar gemästet werden , um sie durch rundlichere 
Formen um so reizender zu machen. 
Eine viereckige Tasse vermöchte uns nicht eben so gut zu 
gefallen als eine runde, ungeachtet sie dem Zweck eben so gut ent- 
spräche, weil, alles Uebrige gleich gesetzt, das Bunde überhaupt 
gefälliger als das Eckige ist; aber in unzähligen Fäillen ziehen wir
	        
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