Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

An sich kann einheitliche Verknüpfung nicht ohne Mannich- 
laltigkeit bestehen, denn ohne solche hätten wir einfache Identität. 
Bei einer kurz dauernden Beschäftigung aber reicht schon eine 
sehr geringe Mannichfaltigkeit hin, den Geist Genüge und selbst 
positives Gefallen finden zu lassen, wenn es an der Einheit darin 
nicht fehlt; wogegen uns eine Mannichfaltigkeit, die keinen Ein- 
heitsbezug geltend machtf) nicht "nur widersteht, je länger sie 
sich uns aufdringt, sondern so ziemlich von vorn herein. Und 
wenn wir, getrieben vom Bedürfnisse des Wechsels, zur Beschäf- 
tigung mit etwas Neuem übergehen, werden wir doch nicht zu 
einer zersplitterten Mannichfaltigkeit, sondern nur zu etwas An- 
derm, was wieder einheitlich verknüpft ist, übergehen wollen. 
Insofern scheint auf den Gesichtspunct der Einheit grösseres Ge- 
wicht als auf den der Mannichfaltigkeit zu legen; doch dürfte man 
nicht sagen, dass das Gefallen wesentlich an einem Ueberge- 
wicht der Einheit über die Mannichfaltigkeit, d. i. wo das Gleiche 
das Ungleiche überwiegt, hänge, um nicht ein weisses Papier, 
einen rein ausgehaltenen Ton für das Schönste der Welt zu halten. 
Bei jedem grösseren Ganzen, was uns in einer gewissen Dauer 
beschäftigen soll, werden wir vielmehr viel Ungleichheit verlangen, 
die nur irgendwie einheitlich vermittelt und gebunden sein muss, 
um uns dadurch gefesselt zu finden.  
Zeitliche und räumliche Mannichfaltigkeit treten insofern 
unter denselben Gesichtspunct, als die räumliche Mannichfaltig- 
keit, wenn schon bis zu gewissen Gränzen zugleich auffassbar, 
doch, um deutlich erfasst zu werden, nach einander mit der Auf- 
merksamkeit verfolgt werden muss, in der zeitlichen Mannichfal- 
tigkeit aber das Fortwirken der frühern Eindrücke in die spätern 
hinein eine gewisse Gleichzeitigkeit derselben bedingt. 
 Sie treten hingegen unter verschiedene Gesichtspuncte da- 
durch, dass bei der räumlichen Mannichfaltigkeit die Richtung des 
Verfolges mehr oder weniger willkührlich, bei der zeitlichen, in- 
sofern sie nicht zugleich eine räumliche ist, durch die gegebene 
Folge derselben selbst vorgeschrieben ist. 
i") Wenn die Glieder einer solchen Mannichfaltigkeit uns jedes für sich 
aunehmlich sind, so entsteht hiedurch ein Conflict mit der Unannehmlichkeit, 
die von dem mangelnden Einheitsbezuge dazwischen abhängt. Von Conflic- 
ten aber wird später die Rede sein, zunächst ist hier davon abzusehen.
	        
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