Prineip
ästhetischen
der
Schwelle.
Es giebt Vieles, was uns gleichgültig lässt, indess es doch
seiner und unserer Natur nach wohl geeignet wäre, Gefallen oder
Missfallen zu wecken, andermal auch wirklich erweckt. Das hängt
allgemeingesprochen daran, dass sei es die Stärke der objectiven
Einwirkung oder der Grad unserer Empfänglichkeit dafür oder
unserer Aufmerksamkeit darauf nicht die sogenannte Schwelle
übersteigt, das heisst den Grad, von dem an die Einwirkung erst
für unser Bewusstsein spürbar wird. Es ist nämlich ein allge-
meines, nicht hlos für Empfindung von Lust und Unlust, aber
a uch für sie gültiges Gesetz, dass zum Bewusstwerden derselben
ein gewisser Grad dessen gehört, woran sie äusserlieh und inner-
lich hängt; die Qualität der Bedingung reicht nicht aus, sie
muss sich durch die erforderliche Quanti tä t, den erforderlichen
Grad, ergänzen. So lange nun dieser Grad nicht erreicht ist, sagen
wir von den Bedingungen der Lust und Unlust wie von diesen
selbst und dem davon abhängigen Gefallen und Missfallen, dass
sie unter der Schwelle bleiben.
In der That so gewiss wir sein können, dass unzählige üble
Gerüche in der Luft schweben, wegen ihrer Verdünnung riechen
wir in der Regel nichts davon. Die schlechtest schmeckende Me-
dicin schmeckt uns doch nicht schlecht in homöopathischer Ver-
dünnung. Für Vieles, was uns bei frischer Empfänglichkeit Lust
gab, stumpft sich die Empfänglichkeit ab, ohne desshalb zu er-
löschen, der Lustreiz muss nur verstärkt werden, um Wieder Lust
zu geben; und wie Vieles trifft zwar unsern Sinn aber zu wenig
unsere Aufmerksamkeit un-d bleibt uns desshalb gleichgültig.
Je nach Rücksicht auf die üusseren oder inneren Bedingungen
des Gefallens oder Missfallens kann man von einer äussern oder
innern Schwelle sprechen, welche überstiegen werden muss, soll
Gefallen oder Missfallen mit einem wirklichen Lust- oder Unlust-
werthe ins Bewusstsein treten. Beide Schwellen aber sind nicht
unabhängig von einander. Für jeden bestimmten Grad der Em-
pfänglichkeit und Aufmerksamkeit wird es einen bestimmten Grad
der äusseren Einwirkung geben, der dazu überstiegen werden
muss, hiemit eine zugehörige bestimmte äussere Schwelle; aber
wie sich jene inneren Bedingungen ändern, wird eine grössere
Fechner, Vnrschule d. Aestlietik. 4