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des Gewissens, angeboren oder anerzogen sein mag, kann streitig
sein; überall hat Erziehung jedenfalls daran mitgewirkt.
Gegen die psychologische Triftigkeit der vorigen Bestimmun-
gen dürfte sich niehts einwenden lassen. Nun ruht das hier ver-
tretene eudämonistische Princip in nichts Anderm, als dass es
dasselbe, was eines Jeden bewusste Antriebe noth wendig ihrer
Richtung nach bestimmt, auch als Ziel dieser Antriebe in Be-
ziehung auf das Ganze vor Augen stellt, und die Erziehung der
Antriebe Aller auf mögliehste Erfüllung dieses Zieles zu richten
gebietet. Diess unter Geltendmachung der Solidaritäit, in welcher
sich das Wohl des Einzelnen mit dem des Ganzen um so mehr
zeigt, je vollständiger das Prineip erfüllt, und je weiter es in sei-
nen Consequenzen verfolgt wird.
S0 Wenig hienach die Bevorzugung des eignen Wohles vor
dem Wohle Andrer im Sinne des Prineipes liegt, so wenig die
Opferung des eignen Wohles für das von Andern. Denn das eigne
XVohl bildet selbst einen Bestandtheil des allgemeinen Wohles,
und so darf und soll jeder, um nicht das Wohl des Ganzen zu
verkürzen, das eigne Wohl nach Massgabe anstreben, als Andern
nicht mehr Nachtheil als ihm selbst Vortheil daraus erwächst. Es
kann aber jeder nach gewisser Beziehung sogar besser für sich
sorgen, als Andre für sich sorgen lassen, nach andern umgekehrt
besser für Andre sorgen, als diese für sich sorgen können. Nun
hat das Recht mit Rücksicht auf historische, nationale und noch
speeiellere Verhältnisse, die ltthik "aus darüber hinaus gehenden
allgemeineren Gesiehtspuneten, Rechte und Pflichten in dieser
Hinsicht abzuwägen und Gesetze aufzustellen, welche, indem sie
das Urtheil des Einzelnen beherrschen und binden, das llandeln
Aller in der Richtung auf das Besste in Zusammenhang erhalten.
Schon in der Gemeinsamkeit der Befolgung eines Gesetzes aber
liegt etwas Gutes; denn besser, wenn alle einem gegebenen Kreise
Angehörigen ein dafür bestehendes Gesetz, wäre es auch nicht das
besste, nur dass es nicht das schlechteste sei, gemeinsam und
stetig befolgen, als wenn Jeder ohne Gesetz nach seiner eigenen
Ansicht vom Bessten handelt.
Nun ist. nicht zu leugnen, dass die Antriebe des Menschen
von vorn herein vielmehr auf das eigne und nächste Wohl als das
des Ganzen und den fern liegenden Büekgewinn des eigenen
Wohles aus dem Ganzen gehen, also nicht im Sinne des vorigen