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die Definition derselben aufzunehmen, um hiemit die Richtung ihrer
Aufgabe von vorn herein klar zu bezeichnen. Und wenn das nicht
im vorherrschenden Sinne der Aesthetik von Oben ist, so suche
ich nach schon früher gemachter Bemerkung eben darin, dass sie
mit ihren Ausgangserklärungen den Nagel von vorn herein nicht
auf den Kopf trifft, den Grund, dass er dann eine mehr oder we-
niger schiefe Richtung nimmt, d. h. man eben auch nicht damit
erfährt, worauf es zum Gefallen und Missfallen an den Dingen
eigentlich ankommt, sondern nur, wiefern sich etwas den an die
Spitze gestellten ideellen Gesichlspuncten unterordnet, Wofür der
Begriff des Gefallens und Missfallens nurtein beiläufiger ist.
Aus gewissem Gesichtspuncte würde es allerdings erwünscht sein , den
Ausdruck ästhetisch in einer andern Wendung gebrauchen zu können, als er
durch die Beziehung zu täefallen und Missfallen angenommen hat, wenn nur
nicht diese Beziehung im herrschenden Sprach- und Begriffsgebrauche schon
zu fest stünde und (zum Ersatz ein andrer Ausdruck zu Gebote Stände. Jeder
Gegenstand, mit dem wir verkehren, hat durch diesen Verkehr selbst eine
über seinen sinnlichen Eindruck hinausreichende Bedeutung für uns ange-
nommen, die sich mit jenem Eindrucke zugleich geltend macht. wie in
unserm 9. Abschnitt eingehend besprochen wird. So sehen wir in einer
Krone nicht blos einen gelben Streif mit einigen Erhabenheiten, sondern zu-
gleich ein Ding, was bestimmt ist, das Haupt eines Königs zu decken. Un-
streitig nun kann man wünschen, solche Eindrücke, die sich aus einer
sinnlichen und einer daran associirten Bedeutung zusammensetzen, mit
einem bestimmten Worte zu bezeichnen; es giebt aber keins dafür, wenn
man nicht ästhetisch dafür brauchen will; womit aber die Beziehung zu
Vtlohlgefälligkeit und Missfälligkeit als wesentlich wegtiele; denn es fin-
den sich unter solchen Eindrücken genug gleichgüttige; die wohlgefälligeil
und missfälligen bilden blos eine besondre Abtheilung davon, und könnten
dann allerdings auch als von vorzugswcisem Interesse in einer besondern
Abtheilung einer auf vorigen Allgemeinhegritf gestützten Acsthetik behandelt
werden.
Wesentlich ist diess die Auffassung des Aesthetisehen und der Aesthe-
tik, welche C. Hermann in seinem Grundriss d. allg. Aesthetik 4857 (Fr.
Fleischer) und seiner ästhetischen Farbenlehre 4876 (N1. Schäfer) vertritt;
und ich wüsste nicht, was sich principiell gegen die Aufstellung einer solchen
Lehre einwenden liesse, von welcher unsre Aesthetik in gewisser Hinsicht
nur jene hesondre Abtheilung bilden würde, insofern man rein directe Ein-
drücke ohne associirte Bedeutung [nicht statuiren will. Indess fUSSl Hermann
nur auf dem Resultat des Associationsprincipes, ohne auf die Entwickelung
des Principes selbst einzugehen, und befolgt im Ganzen mehr den Gang von
Oben als von Unten, so dass unser Zusammentreffen mit ihm nur ein par-
tielles bleibt. Auch muss eine Lehre, welche wie unsre den Gesichtspunct
des Gefallens und Missfallens oben an stellt und associirte Bedeutungen nur
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