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in gemeinsamer Abhängigkeit vom LustbegritTe zu betrachten, wie wir ge-
than, indem er fiir schön dasjenige erklärtit), in dessen Erscheinung sich der
Rhythmus (das Gefüge des Ablaufs) und die Verhältnissformen spiegeln,
worin das sittlich Gute sich in uns und über uns hinaus in der göttlichen
Welt-Ordnung und Führung ausprägt und bewegt. In dem Lustertrage der
äussern Dinge und Verhältnisse, wodurch deren wohlgefälliger Eindruck be-
dingt wird, sieht er so zu sagen nur den Stempel einer veigenen Vortrefflich-
köitrr derselben, welche darin ruht, dass sie von jenem Rhythmus, jenen Ver-
hältnissformen etwas an sich haben, in uns wiederspiegeln, ohne dass sie
deshalb den eigentlichen Gehalt des sittlich Guten in sich zu tragen brau-
chen. t") Nur diesem, dem sittlich Guten selbst aber misst er einen funda-
mentalen, allem Andern blos einen davon abgeleiteten , Werth bei. Den Be-i
gritT dieses Guten , als des schlechthin Werthvollen , an den wir uns hieniit
schliesslich gewiesen finden, knüpft er an den Lustbegriff in höchster Potenz
(den der Seligkeit) durch folgende Erklärung (Mikrok. Ill. GOSWWt) : wGut an
sich ist die genossene Seligkeit; die Güter, die wir so nennen, sind Mittel zu
diesem Gut, aber nicht selbst das Gut, ehe sie in ihren Genuss verxx andelt
sind; gut aber ist nur die lebendige Liebe, welche die Seligkeit Andrer will."
Auf die Ausführung hievon lässt sich hier nicht eingehen.
Diess giebt nun jedenfalls ein ganz anderes Begrilfssystem als das unsre,
ohne dass deshalb ein sachlicher Widerspruch zwischen beiden besteht. lch
glaube aber doch, dass das unsre mehr im Sinne der geläufigen Gebrauchs-
weise der Begriffe ist als das von Lotze, welches überhaupt mehr im Sinne
einer Ethik und Aesthetik von Oben als von Unten ist, indess Lotze ander-
weit sich mit Erfolg in letzter Richtung bewegt.
Es giebt einen Begriff von häufiger Verwendung für die Folge,
der sich von einer Seite mehr nach der ästhetischen, von andrer
mehr nach der praktischen Seite hinbiegt. Vieles, was wir weder
hübsch noch schön nennen möchten, können wir doch inter-
essa nt finden. Unstreitig wird man geneigt sein, diese Kategorie
vielmehr zu den positiven als negativen zu rechnen; doch kann
uns selbst etwas hässliches interessiren; wie stimmt das"? Die
Antwort ist die: dass wir etwas interessant finden, will nichts
Anderes sagen, als dass es uns aus diesem oder jenem Ge-
sichtspuncte gefällt uns damit zu beschäftigen, ohne dass es
uns desshalb wie das Hübsche oder Schöne im Ganzen zu gefallen
braucht. Vielmehr kann es nach Umständen nur diese oder jene
gefallende Eigenschaft sein, an die sich das Interesse knüpft; und
a") Abh. üb. d. Begr. d. Sch. 45 oder Gesch. 97.
{Ü Gesch. 400. 232. 234. 265. 286. 293. 487.
äw) Giebt es, wie wohl vorauszusetzen, noch eine andre bestimmte Er-
klärung hierüber bei Lotze, so ist doch solche meinem Suchen entgangen.