Lust und Unlust verräth sich zwar schon von vornherein dadurch,
dass beide einen entsprechendem Gegensatz des Positiven und
Negativen darbieten, als der Lust und Unlust selbst zukommt: sie
klärt sich aber vollends durch obige Bestimmungen. Also haben
wir WOlJl Grund, dieser Begriffsbestimmung aus allgemeinstem
Gesichtspuncte zu vertrauen.
Unstreitig lassen sich die praktischen Kategorieen, statt durch Beziehung
auf Lust und Unlust, auch durch Beziehung auf unsre hevzussten Antriebe
und Gegenantriebe, oder, was auch vorkommt, doch auf dasselbe heraus-
kommt, durch Bezug auf einen, über die Tragweite des gewöhnlichen Sprach-
gebrauches ausgedehnten, Begriff der Liebe erklären , als Angestrebtes und
Anstrebenswerthes, Liebe weckendes und Liebe verdicnendes fassen. Nach
der psychologischen Grundbeziehung zwischen Lust und ljnlust einerseits,
bewussten Antrieben und Gegenantrieben andrerseits, worüber unter 4) noch
einige Worte, treten aber beide Erklärungen sachlich in einander hinein, und
werden immer eine Uebersetzilng in einander gestatten, wonach man untrif-
tigerweise durch die eine die andre ausgeschlossen hält. Unsrerscits in der
grundlegenden Erklärung die Beziehung der praktischen Kategorieen auf Lust
und Unlust vor der Beziehung auf Streben und Gegenstreben zu bevorzugen,
lag aber ein doppelter Grund vor. Einmal galt es, die Beziehung dieser Ka-
tegorieen zu den ästhetischen Kategorieen unmittelbar klar herauszustellen,
was nur durch einen gemeinsamen Mittelbegrili" geschehen konnte, also uur
durch Lust und Unlust, sofern diese schon den Kern der ästhetischen Kate-
gorieen bildeten. Zweitens aber scheint mir, dass das allgemeine Sprach-
und Begriffsbewusstsein in der That die praktischen Kategorieen in direc-
tere r Beziehung zu Lust und Unlust, als zu Streben und Gegenstreben fasst.
Denn man findet etwas nicht vortheillaaft, gut, sofern man danach strebt oder
streben soll, sondern man strebt danach oder soll danach streben, weil" man
es vortheilhaft, gut findet; damit das aber nicht auf einen identischen Satz
hinauslaufe, muss man vortbeilhaft, gut durch einen andern Begriff als Stre-
ben bestimmt denken; und es ist nur Sache einer klaren Analyse, den Lust-
begritf in unserm Sinne darin zu erkennen. Wenn ich daher mit Obigcm zu-
gegeben habe, dass sich die praktischen Kategorieen eben sowohl nach ihrer
Beziehung zu Streben und Gegenstreben als zu Lust und Unlust erklären
lassen, so gilt diess doch nur, so lange als man diese Kategorieen für sich be-
trachtet; nicht aber kann ich zugeben, dass ein Begriffssystem, was man mit
Hülfe der ersten Erklärungsweise construirt, dem allgemeinen Verständniss
gleich leicht zugänglich und gleich frei von versteckten oder offenen Cirkel-
erklarungen herzustellen ist, als das, was auf der letzteren Erklärungs-
weise fusst.
Unter den ästhetischen Kategorieen tritt der Begriff sch ön
unter den praktischen der Begriff gut je nach weiterer oder enge-
rer Fassung entweder als der allgemeinste, d. i. die andern
mit unter sich fassende, oder als der ob erste. d. i. in einer he-