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heit genau bestimmen zu können. Hierüber wird stets Streit ohne
sichre Entscheidung möglich, und Vorsicht, sein subjectives Ge-
fühl nicht für allgemein massgebend zu halten, nützlich sein.
Eine solche Vorsicht aber wird zur ästhetischen Pflicht durch
die Betrachtung, einerseits, dass eines Jeden Geschmack sich doch
nur unter bestimmten zeitlichen und örtlichen Verhältnissen hat
bilden können, und nach deren Besonderheit besondern Ueber-
tragungsverhältnissen unterlegen hat, andrerseits dass auch zu
verschiedenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen wirklich Ver-
schiedenes passt, und bienach Verschiedenes im Sinne eines rich-
tigen Geschmackes sein kann. Lassen wir ein früher angeführtes
Beispiel in diesem Sinne sprechen.
So wunderlich und absurd uns der Benooolensche Bauge-
schmack erscheinen mag, so lässt sich doch seine Entstehung
nach dem Associationsprincip eben sowohl erklären, als nach un-
serm Princip der Beurtheilung des Geschmackes durch seine Güte
rechtfertigen, und zwar ist in diesem Falle mit der Erklärung die
Rechtfertigung fast von selbst gegeben.
Die Weise, wie man in Bencoolen baut, ist nämlich, wie so-
fort zu zeigen, für die Verhältnisse Bencoolens die zweckmässigste,
hiemit besste. Das Gefühl für diese Zweckmässigkeit hat sich bei
den Einwohnern Bencoolens an den Anblick ihrer Bauwerke asso-
ciirt, durch Gewöhnung und Uebertragung befestigt, und trägt
damit eben so viel bei, sie ihnen schön erscheinen zu lassen, als
bei uns die Zweckmässigkeit durch Association dazu beiträgt.
Wollten sie so bauen, wie wir, so wäre das eben so absurd, und
ihr Geschmack, der sich darauf eingerichtet hat, eben so absurd
zu nennen, als wenn wir bauen wollten, wie sie. Jeder Geschmack
muss sich darauf einrichten, das, was zu Zwecken bestimmt ist,
auch nur wohlgefällig finden zu lassen, wenn es solche erfüllt.
Was zuerst die Erhebung der Häuser über den Erdboden an-
belangt, so wird sie in Bencoolen durch mehr Zweckmotive ge-
rechtfertigt, als wir für die meisten Einrichtungen unsrer Häuser
aufweisen können. Zuvörderst bringt für das hvisse Clima Bencoo-
lens diese Einrichtung den Vortheil hervor, dass man, wenn man
unter den Häusern fort-geht, sich stets im Schatten befindet, was
in andern Städten heisser Climate mit grösserer Unbequemlichkeit
für den Verkehr durch eine grosse Enge der Strassen erzielt wer-
den muss. Da ferner die meisten Wohnorte des Landes an Flüssen
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