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Wiederkehr derselben überwogen wurde. Kurz die Wiederholung
des Wohlgefälligen überwog noch das Missfallige der Wiederholung.
F ün ften s. Nach Verschiedenheit der Umstände, unter denen
die Menschen leben, und der verschiedenen Zeiten, in denen sie
leben, associirt die E rfa hrung für sie Verschiedenes an Dasselbe,
oder Dasselbe an Verschiedenes, Wodurch den Einen etwas unter
wohlgefälligen, den Andern unter missfülligen Beziehungen er-
scheinen kann. Gewöhnung und Uebung gehen damit meist Hand
in Hand oder nehmen ihren Ausgang davon.
Die Mode giebt hiezu die augenfälligsten Belege. Rufen wir
uns das Beispiel der Perücke zurück. Wie kam doch der Ge-
schmack vergangener Zeiten daran zu Stande? Der Eindruck, den
sie durch ihre blosse Form und Farbe macht, will so viel als gar
nichts sagen, und wie hätte man sich daran gewöhnen sollen, ohne
einen Anlass zur Gewöhnung. Man sagt: die Perücke wurde er-
funden, um die Kahlköpfigkeit eines Königes zu decken. Hätte
statt eines Königes ein Bauer seinen Kahlkopf damit bedeckt, nim-
mer würde sie Mode geworden sein; nun aber associirte sich an
die Perücke etwas Königliches; und sei es auch, dass die Um-
gebung des Königs anfangs blos aus Schmeichelei ihn nachahmte,
so fing doch von da an sich der Eindruck der Vornehmheit, der
Würde, des Beichthums ihrer Träger an ihren Anblick zu knüpfen
und vom Kreise der Hofleute aus immer weiter darüber hinaus zu
stralen. Anfangs hatten die Perücken nur die bescheidene Grösse,
die ihnen ihr erster Zweck verlieh, und wuchsen dann als äusseres
Zeichen für Grösse, Würde, wie ein Keim, wenn er einmal eine
gewisse Richtung genommen hat, dann bis zu gewissen Gränzen
immer weiter wächst; damit wuchs zugleich ihr ästhetischer Ein-
druck. Und wir sehen, dass dieser Eindruck sich beim Kinde
sogar bis zum Eindruck des Göttlichen steigerte. An sich hat doch
die Perücke nichts Göttliches; sie konnte diesen Eindruck nur der
Association verdanken. Hienach trugen Gewöhnung und Ueber-
tragung bei, ihr denselben zu sichern, aber hätten ihn ohne Asso-
ciation von vorn herein nicht hervorrufen können. Und so kann
man vielleicht überhaupt sagen, dass die meisten Wandlungen des
Geschmacks schliesslich von Ursachen abhängen, die gar nicht in
das Gebiet des Geschmackes gehören, durch Vermittelung der
Association aber in dasselbe eintreten und sich durch Gewöhnung
und Uebertragung festigen und fortpilanzen.