Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

234. 
Wiederkehr derselben überwogen wurde. Kurz die Wiederholung 
des Wohlgefälligen überwog noch das Missfallige der Wiederholung. 
 F ün ften s. Nach Verschiedenheit der Umstände, unter denen 
die Menschen leben, und der verschiedenen Zeiten, in denen sie 
leben, associirt die E rfa hrung für sie Verschiedenes an Dasselbe, 
oder Dasselbe an Verschiedenes, Wodurch den Einen etwas unter 
wohlgefälligen, den Andern unter missfülligen Beziehungen er- 
scheinen kann. Gewöhnung und Uebung gehen damit meist Hand 
in Hand oder nehmen ihren Ausgang davon. 
Die Mode giebt hiezu die augenfälligsten Belege. Rufen wir 
uns das Beispiel der Perücke zurück. Wie kam doch der Ge- 
schmack vergangener Zeiten daran zu Stande? Der Eindruck, den 
sie durch ihre blosse Form und Farbe macht, will so viel als gar 
nichts sagen, und wie hätte man sich daran gewöhnen sollen, ohne 
einen Anlass zur Gewöhnung. Man sagt: die Perücke wurde er- 
funden, um die Kahlköpfigkeit eines Königes zu decken. Hätte 
statt eines Königes ein Bauer seinen Kahlkopf damit bedeckt, nim- 
mer würde sie Mode geworden sein; nun aber associirte sich an 
die Perücke etwas Königliches; und sei es auch, dass die Um- 
gebung des Königs anfangs blos aus Schmeichelei ihn nachahmte, 
so fing doch von da an sich der Eindruck der Vornehmheit, der 
Würde, des Beichthums ihrer Träger an ihren Anblick zu knüpfen 
und vom Kreise der Hofleute aus immer weiter darüber hinaus zu 
stralen. Anfangs hatten die Perücken nur die bescheidene Grösse, 
die ihnen ihr erster Zweck verlieh, und wuchsen dann als äusseres 
Zeichen für Grösse, Würde, wie ein Keim, wenn er einmal eine 
gewisse Richtung genommen hat, dann bis zu gewissen Gränzen 
immer weiter wächst; damit wuchs zugleich ihr ästhetischer Ein- 
druck. Und wir sehen, dass dieser Eindruck sich beim Kinde 
sogar bis zum Eindruck des Göttlichen steigerte. An sich hat doch 
die Perücke nichts Göttliches; sie konnte diesen Eindruck nur der 
Association verdanken. Hienach trugen Gewöhnung und Ueber- 
tragung bei, ihr denselben zu sichern, aber hätten ihn ohne Asso- 
ciation von vorn herein nicht hervorrufen können. Und so kann 
man vielleicht überhaupt sagen, dass die meisten Wandlungen des 
Geschmacks schliesslich von Ursachen abhängen, die gar nicht in 
das Gebiet des Geschmackes gehören, durch Vermittelung der 
Association aber in dasselbe eintreten und sich durch Gewöhnung 
und Uebertragung festigen und fortpilanzen.
	        
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