Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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öffentlichen Speiseanstalten einen verdoppelten Zudrang verschaf- 
fen, und weiss dafür um so besser die richtige Mischung eines 
Klösschens zu würdigen. So wurde Rumohr ein Richter des culi- 
narischen Geschmacks. Was aber hier für den sinnlichen Ge- 
schmack gilt, gilt ganz entsprechend für den Geschmack in höhe- 
ren Gebieten. Dadurch hauptsächlich unterscheidet sich der Ge- 
schmack des höher Gebildeten und gebildeter Zeiten und Völker 
vom Geschmack des Kindes, des Bauern, der rohen Zeit und Na- 
tion. Das Gefallen am grellen Contrast, am grellen Roth, am bunt- 
gemalten Bilderbogen, der bunten Puppe tritt mit wachsender Bil- 
dung zurück, und feinere und höhere Beziehungen, die den 
unentwickelten Geschmack gar nicht berühren, fangen an, den- 
llaupteindruck zu bestimmen. Endlich verlangt der Gebildete von 
jedem Werke, das ihm gefallen soll, dass sich alle Beziehungen 
desselben in einer höchsten Beziehung, einer Idee verknüpfen, die 
das Kind, der Wilde gar nicht aufzufassen vermag. 
Wie in der bildenden Kunst, so in der Musik. Dem Ohre der 
rohesten Völker gefallt am bessten die rauschendste, im einfach- 
sten Wechsel sich bewegende Musik, die ihren Sinn am stärksten 
aflicirt; dem Kinde, das vom Jahrmarkt kommt, gefallt das Ge- 
schmetter seiner kleinen Trompete besser, als eine Beethovensche 
Sonate; aber auch den Musikverständigen vergangener Zeiten ge- 
fielen noch einfachere melodische und harmonische, das Wohlge- 
fallen so zu sagen auf dem Teller präsentirende, Gänge besser als 
solche, welche ein höheres Wohlgefallen aus weiter sich verzwei- 
genden und damit höher sich steigernden Beziehungen und der 
Auflösung entschiedener Disharmonieen schöpfen lassen. Nach 
Massgabe aber, als diese zu gefallen anfangen, hören jene ein- 
fachen Tongange auf zu befriedigen, erscheinen unbedeutend, 
langweilig, beschäftigen nicht mehr und gefallen darum nicht mehr. 
Wenn früher Octaven-, Quinten-, Quartenfolgen wohlgefällig er- 
schienen, Terzen- und Sextenfolgen vermieden wurden, so lässt 
sich das wohl daraus erklären, dass Octaven, Quinten, Quarten 
die einfachst möglichen, an sich fasslichsten Tonverhaltnisse sind, 
welche für sich am meisten consoniren. So lange man nun noch nicht 
so geübt in Auffassung musikalischer Beziehungen war, als jetzt, 
brachte auch die Vervielfältigung des wohlgefalligen Eindruckes 
der einzelnen Consonanz eine Steigerung des Effects hervor, 
,welche noch nicht so wie jetzt durch ein Missfallen an der monotonen
	        
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