Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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Unbewusstsein des Kindes heraus sich Entwickelndes, und ein guter 
Geschmack nur als eine besonders glückliche Mitgabe angesehen 
wird. In der That aber wird der Geschmack überall erst durch 
die Erziehung fertig und kann bei gleicher angeborener Anlage 
nach Verschiedenheit der erziehenden Einflüsse noch in Güte, Höhe, 
Feinheit, Richtung sehr verschieden ausfallen. 
Die Erzieliungsmittel des Geschmackes sind schwer unter 
einen allgemeinen Gesichtspunct zu bringen, können aber, wie die 
des Menschen überhaupt, etwa unter folgenden Kategorieen be- 
trachtet werden, die sich zwar nicht überall, doch bis zu gewissen 
Gränzen, auseinanderhalten lassen: 
4) Uebertragung von Andern. 
2) Eigene Ueberlegung. 
3) Gewöhnung und Abstumpfung. 
lt) Uebung. 
5) Association. 
Beschränken wir uns in Betrachtung derselben auf Hauptge- 
sichtspunct-e, indess die Psychologie tiefer, die Erziehungslehre, 
Gulturgeschichte, Ethnologie weiter darein einzugehen haben, als 
hier geschehen wird. 
Erstens. Thatsache ist, dass das ausgesprochene Gefallen 
oder Missfallen Andrer unser eigenes Gefallen und Missfallen mit 
zu bestimmen oder selbst von vorn herein zu bestimmen vermag, 
um so leichter, je weniger wir schon von anderer Seite her be- 
stimmt sind, und je bestimmendere Kraft dem Andern auf uns 
beiwohnt-. So geht der Geschmack von den Aeltern auf die Kinder 
über, so lange bis deren eigenes Urtheil erstarkt, so steht der Ge- 
schmack in Kunstschulen unter dem Einflüsse der Lehrer und Ge- 
nossen; und wenn ein Geschmack in gewisser Beziehung eine 
ganze Zeit, ein ganzes Volk beherrscht, so wird die Uebertragung 
mit der Gewöhnung immer den hauptsächlichsten Antheil daran 
habenj 
Die Uebertragung kann theilsdadurch zu Stande kommen, 
dass Gründe des Gefallens oder Missfallens von Andern geltend 
gemacht. werden, welche nur der Hervorhebung bedürfen, um 
ihren Erfolg zu haben, kurz durch Belehrung; theils dadurch, dass 
das Gefallen oder Missfallen Andrer durch seine Aeusserung selbst 
sich in uns überpflanzt, indem es eine Art geistige Ansteckung be- 
wirkt, welcher die passive oder noch indifferente Natur am leich-
	        
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