zu führen ist, klar genug bezeichnet, und in nicht zu verwickelten
Fällen wirklich, wenn auch nur mit mehr oder weniger Sicherheit,
zur Entscheidung führt. Hierauf aber wird erst (S. 256) einzu-
gehen sein, nachdem wir die verschiedenen Bildungsmittel des Ge-
schmackes, worin zugleich die Gründe seiner Verschiedenheit liegen,
in Betracht gezogen haben.
Anlage, Bildung des Geschmacks.
Der Geschmack des Menschen ist seiner Anlage nach ange-
boren, seiner Ausbildung nach geworden, und die Weise dieses
Werdens zwar durch die ursprüngliche Anlage mit bestimmt, aber
keinesweges allein bestimmt. Kurz gesagt ist der Geschmack das
Product der ursprünglichen Anlage und erziehender Einflüsse, und
nach der Verschiedenheit beider fällt der Geschmack verschie-
den aus.
Nach angeborener Einrichtung werden alle Menschen in ziem-
lich übereinstimmender Weise von den einfachsten sinnlichen An-
regungen und einfachsten Beziehungen des Sinnliehen afficirt. S0
ziemlich jedem Kinde behagt ein süsser Geschmack, jedem rohen
Volke gefällt Both unter allen Farben am bessten, dem ungebildet-
sten Auge wird eine symmetrische Figur mehr gefallen als ein
unregelmässiges Gewirr von Zügen. Auf dieser gemeinsamen
Grundlage aber findet der Geschmack schon angeborenerweise
innere Bedingungen einer verschiedenen Feinheit, Höhe und Bich-
tung der Entwickelung. Die Frau ist durchschnittlich auf einen
feinern doch minder hohen Geschmack angelegt als der Mann, der
Europäer auf einen feinern wie höhern als der Neger, der Fran-
zose und Italiener, auf eine andre Richtung des Geschmackes als
der Deutsche und Engländer. Zwar sind auch die erziehenden
Einflüsse nach Verschiedenheit des Geschlechtes, der Bace und Na-
tionalität im Allgemeinen verschieden, haben sich aber, insoweit
die Völker sich selbst erziehen,- zum Theil selbst erst aus einer
verschiedenen angeborenen Anlage herausgebildet, indess in den
Einflüssen der Naturumgebung Momente liegen, welche gemein-
sam auf die Anlage und die Erziehung Einfluss gewinnen.
So wichtig die angeborene Anlage als Ausgang weiterer Ent-
wickelung ist, so wird doch leicht zu viel darauf gegeben, indem
der Geschmack wie das Gewissen gar leicht als etwas dem Menschen
von vorn herein fertig Mitgegebenes oder vermittelungslos aus dem