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und Chinesen abscheulich; aber können wir Verirrungen des Ge-
schmacks darin sehen, da wir es vielmehr sind, die von ihrem
durch die Natur selbst angebahnten Geschmacke erst später abge-
wichen sind. -Uns erscheinen die unfruchtbarsten Gletschergegen-
den als das Erhabenste, was es giebt, den Alten erschienen sie
als das Oedeste, was es giebt. Aber da wir sonst Muster des Ge-
schmacks in den Alten sehen, Winckelmann sogar einen Glau-
bensartikel daraus gemacht hat, was lässt uns hier eine Ausnahme
davon machen-Kurz kein Princip will recht Stich halten, vreder
das der an sich schönen Formen, noch der Idee, noch der Phanta-
sie, noch der organischen Gestaltung, noch der Naturgemässheit,
noch des Glaubens an die absolute Vortrefflichkeit des antiken Ge-
schmackes. Will man noch mehr Principe, so liesse sich das der
Vollkommenheit der sinnlichen Erscheinung, das des interessa-
losen Gefallens oder der Zweckmässigkeit ohne Zweck, und wohl
noch andre zur Sprache bringen; doch hat man mit Yorigem wohl
schon'mehr als genug.
Nun ist freilich die Weise, wie ich alle jene Principe zur
Sprache brachte, höchst oberflächlich; und konnte es nicht anders
sein, wreil ein schärferes und tieferes Eingehen auch ein weiteres
Zurückgehen, als hier am Platze war, gefodert haben wurde; und
so kann es keinem Vertreter irgend eines dieser Principe schwer
fallen, mich von dieser Oberflächlichkeit zu überführen, und sein
Princip so zu wenden oder auszulegen, dass die Perücke, die
Quarten- und Quintenfolgen, der Bencoolensche Baugeschmack,
u. s. w. wirklich danach verwerflich erscheinen, und Alles, was
im heutigen Geschmack und insbesondre Geschmack des Vertreters
des betreffenden Princips ist, wirklich danach schön erscheint;
nur dass es leider eben blos auf eine geschickte Wendung und
Auslegung ankommt, um den Geschmack irgend welcher Zeit da-
nach zu rechtfertigen oder zu verwerfen, und die Wendung und
Auslegung immer vielmehr nach dem vorhandenen Geschmack als
umgekehrt sich richten wird. Wir haben das bei Irlogarth gesehen
und können es bei den Geschmacksrichtern aller Zeiten sehen.
Ich bin nun auch kein ästhetischer Heiland, diesen Zustand
der Dinge zu heben; bin vielmehr selbst der Ansicht, dass sich
überhaupt kein Princip aufstellen lässt, was uns in den Stand
setzt, den Streit des Geschmacks in allen Fällen zu entscheiden,
aber doch eins, was den Gesichtspunct, aus welchem der Streit