Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

,gegenübergestellt waren. Ja wie wenig stilmässig es noch im 
vorigen Jahrhundert war, sich um eine erhabene Alpennatur zu 
kümmern, beweist das Beispiel Klopstocks, des erhabenen Klop- 
stock, der bei einem längern Aufenthalte in der Schweiz sie 
unbeachtet liegen liess.  
 Unter denselben Gesichtspunct traten bei den Alten Gegen- 
den wie die Canipagna um Bom, die jetzt so beliebte landschaft- 
liche Motive liefert. Den Alten hätte sie in ihrem jetzigen Zustande 
ausser dem Eindrucke einer landwirthschaftlichen auch den einer 
landschaftlichen Oede und Trostlosigkeit gemacht. Jetzt bedauern 
Künstler und Kunstfreunde schon im Voraus, dass nach der Besitz- 
ergreifung Roms durch die Piemontesen die Gampagna der Culti- 
virung über kurz oder lang entgegengeht und damit jener land- 
schaftlichen Reize verlustig gehen wird; die Alten würden in die- 
scm Bedauern nur ein Zeichen unsers verwilderten Geschmackes 
haben erblicken können, und uns vorgeworfen haben, dass wir, 
so viel wir auch von ihnen gelernt, doch den Barbaren noch nicht 
ganz ausgezogen hatten und unsere rohe Natur sich noch in unserm 
rohen Naturgeschmack äussere. 
Genug der Beispiele, die ich mit Fleiss aus allen Gebieten 
entnommen habe, wo sich überhaupt Geschmack geltend machen 
kann, dem Gebiete der Mode, der Kunst und Natur. Ueberall 
sehen wir die Verschiedenheiten des Geschmackes so weit gehend, 
dass es denen, die an dem einen Extrem stehen, schwer fallen 
muss, die Möglichkeit des andern Extrems zu verstehen, ja fast 
daran zu glauben. Und welche Variationen des Geschmackes nun 
zwischen diesen Extremen. Es müsste von Interesse sein, wenn 
man Farben dazu hätte, diese unendliche Mannichfaltigkeit von 
Sohattirungen des Geschmackes dem Auge auf einer Tafel im Zu- 
sammenhange darzustellen; nur möchte freilich dieses Gesammt- 
gemälde des Geschmackes uns als das Geschmackloseste erscheinen, 
was es giebt. 
Zu dieser grossen Verschiedenartigkeit des Geschmackes 
kommt nun noch, um diess hier mit zu berühren, eine eben so 
grosse Unsicherheit des Geschmackes. Sehe man die Besucher 
eines Kunstmuseums oder einer Kunstausstellung an, finden sich 
nicht die meisten in grosser Verlegenheit, ob ihnen diess undfdas 
gefallen soll oder nicht. 'Zwar in Bezug auf alle bekannte Meister 
und Bilder findet eine solche Unentschiedenheit nicht statt; jeder 
ist
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.