Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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löschliches Gelächter entstanden sein. Das würde auf unserm 
Markte entstanden sein. Ich glaube vielmehr, es würde ein all- 
gemeines Grausen entstanden sein, indem man etwa gemeint 
hatte, die Erscheinung zweier gespenstigen Götzen aus einer wider- 
vernünftigen Welt zu sehen, wie sie keine menschliche Phantasie, 
kein menschlicher Verstand ersinnen könnte. Doch mussten sich 
ehedem in dem für den Geschmack massgebenden Frankreich so- 
gar die griechischen und römischen Könige, Helden und Senato- 
ren gefallen lassen, in nur etwas gemilderten Trachten dieser Art 
auf demTheater aufzutreten. S0 sehr verlangte sie der Geschmack, 
dass nicht einmal das damals allgemein geltende Princip der Nach- 
ahmung der Natur durch die Kunst dagegen aufkommen konnte, 
man vielmehr nur die nothwendige Idealisirung der Natur durch 
die Kunst darin sahe. 
Nun sind unstreitig Kleidungsstücke, Modesachen überhaupt, 
nur niedre Gegenstände des Geschmackes. Aber zur Zeit, wo die 
Menschen Zopf und Perücke trugen, trugen so zu sagen alle, selbst 
die höchsten Gegenstände des Geschmackes, Zopf oder Perücke, 
woher eben die Ausdrücke Zopf- oder Perückengeschnlack, Zopf- 
oder Perückenzeit. Und zur Zeit, wo das griechische Gewand 
und die römische Toga getragen Wurden, stimmte auch Alles zu 
diesen Gewändern.  
Hier haben wir also zwei Zeiten und Völker, die sich so zu 
sagen in Nichts, was den Geschmack anlangt, verstanden. Wie 
sich denn überhaupt Geschmacksverschiedenheiten niemals isolirt 
geltend machen, und alle Beispiele, die hier anzuführen, eigent- 
lich einen grösseren Zusammenhang von solchen zu vertreten ha- 
ben. Wenden wir uns damit von der Mode zur Kunst, doch 
begnügen uns mit kürzeren Hinweisen auf diess unendliche Feld. 
Soll ich von Beispielen aus der bildenden Kunst" spre- 
chen. Denke man z. B. daran, wie der Geschmack an der Antike 
in dem frühen Mittelalter ganz verloren war, sich erst in der Zeit 
der sog. Renaissance erneute, nach manchen Schwankungen, in- 
mitten deren Bernini mehr als die Alten galt, in Winckelmann so 
zu sagen eine neue Wiedergeburt feierte, wie die Ganovasche 
Weichlichkeit und Prätension einen neuen Sieg über die Alten 
feierte, und der von Winckelmann vergötterte Apoll sich jetzt ge- 
fallen lassen muss, in zweiten Rang gestellt zu werden. 
Unser musik a li s ehe r Geschmack ist weder der Geschmack
	        
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