Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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nur mehr oder Weniger durch die Travestirung, sondern äqui- 
librirt sich so zu sagen damit, kann jedenfalls sich nicht mehr mit 
ihrem vollen Werthe anschaulich geltend machen. Wo nun der 
Zweck ein so unbedeutender ist, dass wir dem ästhetischen An- 
spruch auf seine reine Geltendmachung in der Erscheinung nicht 
viel Gewicht beilegen, kann der Reiz der Travestirung in Ver- 
bindung namentlich mit einem Interesse oder Reize der Form 
selbst, welche der Gegenstand dadurch empfängt, leicht jenen 
Nachtheil überwiegen, und wird man solche Spielerei gestatten 
können. Wogegen es ganz geschmacklos sein wurde, Gegenstände 
von wichtigerer Zweckbedeutung in ähnlicher Weise zu travesti- 
ren. Jemand hat z. B. den Vorschlag gemacht , die Locomotiven, 
die freilich nicht den wohlgefälligen Eindruck eines auf dem Was- 
ser sich bewegenden Schwans machen, ästhetisch dadurch zu 
heben, dass man sie mit einem Mantel in Gestalt eines Schwans 
umgiebt. Aber nicht nur, dass man dadurch das Spiel dersel- 
ben, was uns in seiner Weise mindestens eben so interessirt als 
das Schwimmen des Schwans, versteckt, widerspricht es auch 
unsrer Vorstellung, dass ein Schwan "auf dem Lande fortrutscht, 
oder dass eine Locomotive wie ein Schwan schwimmt, und diese 
Widersprüche sind zu ernsthaft, als dass sie durch den Reiz der 
Travestirung sammt dem Reize, den die Gestalt des Schwans 
an sich vor der Locomotive voraus haben mag, gut gemacht wer- 
den könnten. 
Der Umstand, dass bei der Spielerei mit Travestirung kleiner 
Zweckeinrichtungen das Gefallen mindestens eben so sehr durch 
die zierliche oder sonst interessirende Gestaltung, welche der Ein- 
richtung dadurch aufgedrückt wird, als den Reiz der Travestirung 
bestimmt zu werden pflegt, in Verbindung mit dem angegebenen 
Conflicte mag Ursache sein, dass doch nicht leicht der Eindruck 
der Lächerlichkeit dadurch entsteht, selbst wenn die Travestirung 
einen dem Zweck sehr fremdartigen Charakter hat. Das Lächer- 
liche kann aber dadurch in die bildende Kunst eintreten, dass 
lächerliche Verhältnisse oder Begegnisse des Lebens oder starke 
Uebertreibungen (in Carricaturen) durch sie darstellbar sind. 
So stellt z. B. ein Bildchen von Biardili) in lächerlicher Weise den Em- 
pfang dar, der einen Reisenden beim Aussteigen aus einem RheindampfschilTe 
Besprochen im Kunstbl. 
1844.
	        
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