Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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suchte, indess man wusste, dass es in einer andern sei, so wäre 
es nicht lächerlich erschienen; weil darin nichts Absonderliches 
zu finden, dass jemand etwas an einer falschen Stelle sucht, wo- 
hin sein Blick noch nicht gedrungen ist, wohl aber, wenn er es 
da nicht findet, wo Blick und Gefühl ihn dasselbe unmittelbar 
finden lassen sollten. 
Als ich in Ilmenau eine Wassercur brauchte, sagte man einem ängst- 
lichen Badegaste daselbst nach, er habe in der Besorgniss, das Wasser, in 
das er steigen sollte, möchte zu' kalt für ihn sein, dasselbe erst durch Hinein- 
halten seines Stockes geprüft. 
Wenn Jemand ein Versehen, oder die Handlung eines Zer- 
streuten erkünstelt, und man die Absicht hiervon erkennt, fällt der 
Charakter der Lächerlichkeit weg, weil hiebei der Widerspruch 
zwischen der auf den Zweck zu richtenden und wirklich darauf 
gerichteten Handlungsweise für die Vorstellung wegfällt, "da man 
ja als Zweck des Handelnden eben nur die Täuschung und die 
einfache Richtung der Handlung hierauf vor Augen hat. 
Bei getäuschten Erwartungen, die den Charakter der 
Lächerlichkeit tragen, ist es statt einer gemeinsamen Zweckver- 
stellung, in welche die widersprechenden Vorstellungen zusam- 
menlaufen, vielmehr die gemeinsame Ausgangsvorstellung einer 
Art von Geschehen, die in widersprechende Modificationen aus- 
läuft, worin das Bindeglied zu finden.  
Nichts ist lächerlicher als die Sprünge junger Katzen. War- 
um? Wir sind gewohnt, von jeder Bewegung, die wir vorgenom- 
men sehen, die folgende in einer gewissen Consequenz derselben 
zu erwarten. Aber die Sprünge junger Katzen widersprechen fast 
in jedem Momente dieser natürlichen Erwartung. 
Läuft ein Kind seiner vom Winde weggewehten Mütze nach, 
so finden wir das nicht lächerlich, ein Kind sehen wir überhaupt 
mehr laufen als gehen; läuft aber ein ernsthafter Mann seinem 
Hute nach, so erscheint es uns aus demselben Grunde als der 
Sprung einer jungen Katze lächerlich; und vielleicht wird man 
diesen Vergleich selbst lächerlich finden, weil man es nicht ge- 
wohnt ist, einen ernsthaften Mann mit einer jungen Katze ver- 
glichen zu sehen. 
Wenn ein Ziegel vom Dache fällt, woran man nicht gedacht, 
so besteht kein Grund der Lächerlichkeit; wenn aber jemandem 
etwa ein Ziegelstein vor die Füsse fällt, während er den Fall einer 
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