Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

220 
den, als mit jener obersten Bedingung vereinbar ist, und es können 
in dieser Hinsicht gewisse Formen, gewisse Biegungen vortheil- 
hafter sein als andre. Da nun das, hiebei hauptsächlich in Be- 
tracht kommende, Princip der einheitlichen Verknüpfung des Man- 
nichfaltigen an sich einer hinreichenden Bestimmtheit ermangelt, 
und hier überdiess nur in Mitbestimmtheit durch den, bei jedem 
andern Gefässe anders modificirten, Zweck in Betracht kommen 
darf, so möchte zur Ermittelung des mehr oder minder Vortheil- 
haften in diesem Gebiete, wozu in der That kein Apriorismus aus- 
reicht, das ästhetische Experiment mit Nutzen zuzuziehen sein. 
Bei den Versuchen nach der Methode der Wahl mit 40, ihrem 
Seitenverhältniss nach variirten, Bechtecken wurde zufolge der 
Tabelle S. 495 eins in gewissem Verhältnisse öfter als jedes andre 
vorgezogen. Setzen wir statt dessen, dass ein Künstler 40, aus 
irgend einem Gesichtspnncte variirte, Modelle eines Bechers ver- 
fertigte , und darauf die Methode der Wahl in entsprechender 
Weise anwendete, so Würde er darauf rechnen können, die am 
häufigsten vorgezogene Beeherform auch am häufigsten zu verkau- 
fen, und damit zugleich vielleicht manchen theoretischen Betrach- 
tungen einen nützlichen Anhalt zu geben. Der Gesichtspuncte, 
aus welchen die Form eines Bechers variirt werden kann, sind 
freilich viel mehr, als welchen die Seitenverhältnisse eines Recht- 
eckes unterliegen; aber nachdem eine gewisse Hauptform für die 
Becher zu gegebenem Gebrauche schon festzustehen pflegt, wird 
sich hiemit die Variation der Gesichtspuncte, welche für die Ab- 
änderung noch übrig bleiben, von selbst beschränken. 
Wie leicht zuerachten, lassen sich die vorigen Bemerkungen vom Becher 
auf jeden Gegenstand der Kunstindustrie übertragen. Und zwar würde es 
der Künstler bei Anwendung der Methode der Wahl auf einen solchen über- 
haupt leichter haben, als ich es bei meinen privaten Versuchen mit den sozu- 
sagen abstracten Rechtecken gehabt, weil er nur alle Kunden , die überhaupt 
etwas bei ihm kaufen, bei dieser Gelegenheit zum Experiment in betreffender 
Beziehung zuzuziehen brauchte, also keinen Mangel an Versuchssubjccten 
hätte, und die Vorzugswahl zwischen concreten Gegenständen von bestimm- 
ter Anwendung leichter fallt als zwischen einfachen Formen mit Abstraetion 
von solcher. Zugleich würde er damit den praktischen Vortheil erreichen, 
die zusagendste Form gerade für den Geschmack derer, welche sein Kunden- 
publicum bilden, kennen zu lernen. Ob ihm freilich nicht seitens seiner 
Collegen eben solches Nasenrümpfen begegnen würde, als mir Seitens meiner 
ästhetischen Collegen in Sachen der ästhetischen Experimente begegnet ist, 
dafür möchte ich nicht stehen.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.