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den, als mit jener obersten Bedingung vereinbar ist, und es können
in dieser Hinsicht gewisse Formen, gewisse Biegungen vortheil-
hafter sein als andre. Da nun das, hiebei hauptsächlich in Be-
tracht kommende, Princip der einheitlichen Verknüpfung des Man-
nichfaltigen an sich einer hinreichenden Bestimmtheit ermangelt,
und hier überdiess nur in Mitbestimmtheit durch den, bei jedem
andern Gefässe anders modificirten, Zweck in Betracht kommen
darf, so möchte zur Ermittelung des mehr oder minder Vortheil-
haften in diesem Gebiete, wozu in der That kein Apriorismus aus-
reicht, das ästhetische Experiment mit Nutzen zuzuziehen sein.
Bei den Versuchen nach der Methode der Wahl mit 40, ihrem
Seitenverhältniss nach variirten, Bechtecken wurde zufolge der
Tabelle S. 495 eins in gewissem Verhältnisse öfter als jedes andre
vorgezogen. Setzen wir statt dessen, dass ein Künstler 40, aus
irgend einem Gesichtspnncte variirte, Modelle eines Bechers ver-
fertigte , und darauf die Methode der Wahl in entsprechender
Weise anwendete, so Würde er darauf rechnen können, die am
häufigsten vorgezogene Beeherform auch am häufigsten zu verkau-
fen, und damit zugleich vielleicht manchen theoretischen Betrach-
tungen einen nützlichen Anhalt zu geben. Der Gesichtspuncte,
aus welchen die Form eines Bechers variirt werden kann, sind
freilich viel mehr, als welchen die Seitenverhältnisse eines Recht-
eckes unterliegen; aber nachdem eine gewisse Hauptform für die
Becher zu gegebenem Gebrauche schon festzustehen pflegt, wird
sich hiemit die Variation der Gesichtspuncte, welche für die Ab-
änderung noch übrig bleiben, von selbst beschränken.
Wie leicht zuerachten, lassen sich die vorigen Bemerkungen vom Becher
auf jeden Gegenstand der Kunstindustrie übertragen. Und zwar würde es
der Künstler bei Anwendung der Methode der Wahl auf einen solchen über-
haupt leichter haben, als ich es bei meinen privaten Versuchen mit den sozu-
sagen abstracten Rechtecken gehabt, weil er nur alle Kunden , die überhaupt
etwas bei ihm kaufen, bei dieser Gelegenheit zum Experiment in betreffender
Beziehung zuzuziehen brauchte, also keinen Mangel an Versuchssubjccten
hätte, und die Vorzugswahl zwischen concreten Gegenständen von bestimm-
ter Anwendung leichter fallt als zwischen einfachen Formen mit Abstraetion
von solcher. Zugleich würde er damit den praktischen Vortheil erreichen,
die zusagendste Form gerade für den Geschmack derer, welche sein Kunden-
publicum bilden, kennen zu lernen. Ob ihm freilich nicht seitens seiner
Collegen eben solches Nasenrümpfen begegnen würde, als mir Seitens meiner
ästhetischen Collegen in Sachen der ästhetischen Experimente begegnet ist,
dafür möchte ich nicht stehen.