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Gebälks einen verschiedenen Eindruck macherflsoll. Die Ver-
dickung der Säule nach Unten, die Schwellung gegen die Mitte,
die Neigung der Säulen gegen einander, obwohl in der That im
Sinne des Zweckes, sind doch nicht so dringend dadurch gefodert,
dass nicht die Leistung derselben, die Säule und das Ganze der
Säulenstellung minder monoton und steif, oder, wie man sich
ausdrückt, lebendiger erscheinen zu lassen, noch wichtiger er-
schiene. Man könnte sogar meinen, es sei damit wirklich blos
auf diese Belebung abgesehen. Aber eine Verdickung und Schwel-
lung der Säule oben statt unten, ein Zusammenneigen der Säulen
unten statt oben würde der Monotonie, der Steifheit ganz eben so
wehren, als die wirklich eingehaltenen Verhältnisse, und würdet
doch abscheulich, geradezu unerträglich aussehen. Also unter-
stützen sich beide Momente der Wohlgefälligkeit, für sich allein
wenig wirksam, im widerspruchslosen Zusammentreffen nach dem
so oft von uns in Anwendung gezogenen Princip der ästhetischen
Hülfe zu einer erheblichen Leistung.
Und so soll auch den Verzierungen, der Symmetrie, dem
goldnen Schnitt und was man sonst meint von an sich schönen
Verhältnissen in der Baukunst finden zu können, ihr Beitrag zur
Schönheit des Ganzen, ja die Erfüllung des Ganzen zur Schönheit,
nicht dadurch bestritten und verkümmert sein, dass die Zweck-
mässigkeit das Fundament der architektonischen Schönheit bleibt,
ohne dessen Dasein diese llülfen nichts helfen und durch dessen
Verletzung sie nur schaden. Ja man kann es gelten lassen, dass
von der Zweckmässigkeit zu Gunsten andrer Bedingungen der
Schönheit nachgelassen wird, wo die Zweckmässigkeit nur so ent-
fernt oder in so untergeordneter Beziehung in Rücksicht kommt,
dass der Nachtheil durch Verletzung derselben über dem Vortheil
durch Erfüllung der andern Bedingungen nicht merklich gespürt
wird. An sich liegt es im Sinne der äussern Zweckmässigkeit,
dass nicht mehr Arbeit, Fleiss, Kosten auf das Bauwerk gewendet
wird, als der äussere Zweck desselben eben fodert. Aber in Aus-
arbeitung des Kapitells, des Fusses, der Cannelirung der Säulen
wird mehr darauf gewandt. Nun aber widersprechen sie
doch nicht direct dem äussern Zweck des Bauwerks, sondern
kommen nur bei Bücksichtsnahme auf die Weise, wie es gebaut
wird, in entfernte Zweckrücksicht, und es besteht sogar die Fode-
rung, dass auch über den äussern Zweck hinaus etwas zur Hebung