Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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tungsvveise aushelfen? Aber im Gegentheile, wie kann sie es, wie 
das Gefallen an so entgegengesetzten Verhältnissen erklären? 
Nach Zweckbetrachtungen hingegen findet sich die Erklärung 
leicht so: Die Rücksicht auf Stabilität ist hier von den einzelnen 
Beinen auf das zusammenhängende Ganze in der Art verlegt, dass 
das Möbel steht, so lange die durch den Schwerpunct gehende 
Verticale in die Grundfläche zwischen den Beinen eintrifft, daher 
der Vortheil, die Beine etwas nach Aussen zu richten oder zu bie- 
gen. Eine verbreiterte Basis jedes einzelnen Beins würde hiezu 
nichts helfen, sondern das Möbel nur schwerfälliger machen, in- 
dess die breite Anheftung obendie Beine vor dem leichten Ab- 
brechen schützt. Bei den Säul-en, die ein Gebälk tragen, hat jede 
verhältnissmässig mehr für sich zu stehen, und ihrer Aufgabe 
selbständig zu genügen. Doch fehlt die, auf die ganze Zusam- 
menstellung solidarisch bezügliche, Rücksicht der Stabilität auch 
bei der Säulenstellung am griechischen Tempel nicht ganz, nur 
dass sie blos leise und so zur Geltung kommt, dass die Stabilität 
der einzelnen Säule nur unmerklich durch die Schiefe leidet. Die 
äussern Säulen derTempelfronten neigen sich nämlich etwas gegen 
die innern, und so ahmt das Ganze der Säulen gewissermassen 
die einzelne Säule nach. 
Nun aber kommen wir darauf zurück, dass nicht Alles an 
einem schönen Bauwerk aus Zweckmotiven abzuleiten und die 
Schönheit desselben nicht gan z darauf zurückzuführen ist. Das 
Kapitell, der Fuss, die Cannelirung der Säulen lassen sich nicht 
aus äussern Zweckmotiven ableiten. Gewiss hat Schnaase Recht, 
wenn er abgesehen von äusscrn Zweckmotiven Formvermittelung 
zwischen aneinandergränzenden vertikalen und horizontalen Thei- 
len, wie Säule und Gebälk, der Wohlgefälligkeit dienlich hält. 
Nur braucht man nicht den Säulen zuzumuthen, eng zu stehen, 
um keinen schroffen Gegensatz zwischen Säulen und Gebälk spür- 
bar werden zulassen, sondern kann dafür das, die Säule nach 
oben vertikal fortsetzende und zugleich im Sinne des Gebälkes 
horizontal erweiternde, Kapitel] in Anspruch nehmen. Indem die- 
ses für jede Säule insbesondre den Sprung in die horizontale Rich- 
tung durch einen wohlgefälligen Uebergang ersetzt, bedarf (-5 
nicht nur keines Scheins der Horizontalität mehr für die ganze 
Säulenreihe, sondern Würde dieser auch in Widerspruch damit 
stehen, dass die ganz verschiedene Bedeutung der Säulen und des
	        
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