Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

ich, wäre die Betrachtung so zu stellen: die Pfeiler im Innern 
haben theils eine andre Bestimmung, theils finden sie sich unter 
andern Bedingungen des Haltes als die Säulen im Aeusseren. Sie 
müssen weit stehen, weil sie sonst als eine Art Wand den Baum, 
der die Gemeine mit allem, was zum Gottesdienst gehört, als ein 
gemeinsames Gefäss umschliessen soll, zweckwidrig in Fächer 
trennen wurden, indess enge Säulen draussen als eine Art Gitter 
einen halben Abschluss gegen das Aeussere vorstellen; sie kön- 
nen aber auch weit stehen, weiter als Säulen bei gleicher 
Schlankheit, weil sie nicht wie diese die Oblast des Gebälkes zu 
tragen, sondern nur eine Wölbung zu stützen haben. Diese ist es 
eigentlich, welche, indem sie sich auf die Seitenwände lehnt, das 
Dach schwebend hält. Nur indem sie verzagt, über dem weiten 
Baum, den sie unter sich gebreitet sieht, sich ganz allein durch 
eigene Kraft gespannt zu halten, zieht sie sich stellenweise zu- 
sammen und senkt sich als Pfeiler herab, schlägt so zu sagen 
Wurzel im Boden. Als blosses Unterstützungsmittel zum Tragen 
braucht daher auch der Pfeiler nicht die gleichen Bedingungen des 
Halts zu erfüllen, die er erfüllen müsste, wenn er als Säule die- 
selbe Oblast zu tragen hätte, und so tritt er weiter von seinem 
Nachbar, 11m den Baum nicht zu sperren, der eigentlich ganz frei 
sein möchte; während die Säulen sich zusammendräingen, um 
sicher und leicht zu tragen, was sie zu tragen haben, und um zu- 
gleich Thor und Spalier, nach Umständen mehr das Eine oder 
Andre, für den Baum zu bilden, den sie umschliessen. Ein rich- 
tiges Gefühl aber fühlt das Alles heraus, ohne dass es in einzelnen 
Vorstellungen vorschwebt. 
Sohnaase hat noch einen andern Grund, wesshalb Säulen im 
Allgemeinen eine engere Stellung verlangen als Pfeiler, der in ihrer 
runden und auch sonst ausgearbeiteten Gestalt liege. Diese näm- 
lich soll der Säule einen Anschein von Selbständigkeit geben, der 
ihr doch als Glied eines Ganzen nicht zukomme; der Blick werde 
dadurch leicht bei der einzelnen Säule festgehalten und laufe so- 
mit Gefahr, den Gcsammteindruck des ganzen Gebäudes zu ver- 
lieren, wenn nicht der Zusammenschluss der Säulen in ihrem 
engen Stande dadurch, dass er jener Selbständigkeit widerspreche 
und den Blick nöthige, immer auf eine ganze Beihe Säulen auf 
einmal zu reflectiren, der vereinzelnden Wirkung jeder einzelnen 
ein Gleichgewicht halte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.