Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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werden, hier würde uns die Aengstlichkeit des Baumeisters und 
die mangelnde Motivirung durch einen Zweck missbehagen. Also 
vertreten im Holzbau entfernt stehende, zierlich  geschnitzte 
schlanke Säulen die Stelle der engen Säulenordnungen des Steins, 
ja die Säulen können beim Holzbau oft ganz wegfallen, wo sie der 
Steinbau unerlässlich federt. S0 ist nichts ansprechender als das 
über die Aussenwand weit vorgreifende Dach der Gehirgshütten, 
was durch nichts oder nur hier und da durch einen einzelnen 
Pfeiler gestützt ist. Nun vollends im Eisenbau. Jede Säule, die 
uns im Stein nach dem reinsten Ebenmasse geformt, schlank und 
ragend erschien, Würde uns in Eisen feisL, träg und druckend, so 
zu sagen im Fett der eigenen Masse erstickend vorkommen. Die 
Formen des Eisenbaues wollen überhaupt noch schlanker sein als 
die des Holzbaues, und die fast in SLäbe übergehenden Säulen des- 
selben in Verhaltniss zu ihrer Dicke noch Weiter von einander 
stehen. Alles am Eisen will zeigen, dass es noch fester ist als es 
schwer ist. Spielend löst es Aufgaben, an Welchen Holz und Stein 
ermüden oder an die sie sich nicht wagen. Durch den Guss 
schmiegt es sich in alle Formen, und so vermag sich der Eisenbau 
mit den leichtesten und zierlichsten Gliedern emporzuranken. Er 
vermag es, aber unser Schöuheitsgefühl verlangt es nun auch 
von ihm. 
Freilich müssen wir die Natur des Eisens, des Holzes, des 
Steines kennen, um den, von ihrer zweckmässigen Verwendungs- 
weise abhängigen, Beitrag zur Schönheit des Bauwerkes zu empfin- 
den. Wir kennen sie aber genug aus täglicher Erfahrung, um ohne 
Weitläufigkeit und Rechnung beim Anschauen gegebener Verhält- 
nisse fühlen zu können, ob sie dieser Natur widersprechen oder 
nicht, und wo unser Urtheil in dieser Beziehung unsicher wird, 
wird auch das Schönheitsgefühl unsicher werden. 
Man darf sagen, dass ein Theil der baulichen Schönheit auf 
Experiment und Rechnung beruht; denn die Kenntniss der zweck- 
intissigsten MilSSßll-y Form- und Dirnensionsverhältnisse ruht hier- 
auf, und kann nicht anders als auf jenen Wegen erworben werden. 
Aber ein gebildetes Gefühl für die bauliche Schönheit fasst das 
ganze Resultat hievon mit Lust zusammen, und ehe das Gefühl 
nicht so weit gebildet ist, dass es diess vermag, bleibt auch dieser 
Theil der baulichen Schönheit wirkungslos. Die absolut zweck- 
mässigsten Verhältnisse aller Thcile sind nun unstreitig für kein.
	        
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