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sie das, was sie zur Erhaltung oder Federung des menschlichen
Wohles leisten sollen, nicht leisten, theils weil der Widerspruch,
in welchem ihre Einrichtung mit ihrer Idee steht, und der hieinit
im Allgemeinen zusammenhängende Zerfall der einheitlichen Zu-
sammenstimmung ihrer Theile uns missfällt.
Alle Gegenstände der Architektur und Kunstindustrie aber
haben äussere Zwecke zu erfüllen, und so ist auch bei allen die
Erfüllung der Bedingungen äusserer Zweckmässigkeit nicht blos
beiläufig, sondern wesentlich zur Schönheit.
Anders mit Gegenständen, in deren Idee oder Bestimmung
äussere Zweckmässigkeit gar nicht liegt; an solche stellen sich
nicht dieselben Foderungen, und so können Kunstwerke ohne
allen äussern Zweck recht wohl durch ihre innern Beziehungen
oder durch Associationsvorstellungen andrer Art als die der äussern
Zweckmässigkeit Schönheit gewinnen.
Nun aber entsteht die Frage: warum erscheinen doch nicht
alle äusserlich zweckmässigen Gegenstände schön? warum er-
scheint uns z. B. ein Besen, ein Dreschflegel, ein Pflug, eine Mist-
Stätte, eine Scheune, ein Stall trotz aller äusseren Zweckmässig-
keit nicht schön, indess alle Bedingungen des Gefallens, die nach
Vorigem in solcher Zweckmässigkeit liegen, damit gegeben sind?
Wohlanz. denken wir uns einmal diese Dinge statt zweck-
mässig vielmehr so unzweckmässig eingerichtet, dass wir ihnen
ihre Unzweckmässigkeit gleich ansehen könnten, würden sie uns
dann nicht entschieden missfallen? Also giebt doch die Zweck-
mässigkeit ein gefallendes Moment zu ihrem Eindruck her, was
nur ohne anderweite Hülfen oder gar in Conflict mit gegenwirken-
den Momenten nicht überall hinreicht, das Gefallen über die
Schwelle positiver Lust zu treiben oder so hoch darüber zu trei-
ben und so rein zu halten, dass wir den Ausdruck schön auf
solche Werke anwenden möchten. Fehlt es an den erforderlichen
Hülfen oder wirkt zu viel entgegen, so kommt der Eindruck der
Schönheit nicht zu Stande, oder es kann selbst der Eindruck der
Ungefälligkeit bei äusserlich ganz zweckmässigen Gegenständen
überwiegen.
Und so soll überhaupt nicht gesagt sein, dass die Werke der-
Architektur und Kunstindustrie ihre Schönheit blos auf Erfüllung
äussererZweckmässigkeitsbedingungen stützen können; im Gegen-
theil bedarf es noch der Ergänzungsbedingungen dazu, von denen