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haupt davon ausschliessen zu wollen; insbesondere aber, dass
jene Fälle, auf die sich W. und H. berufen, nur sehr seltne Aus-
nahmen sind und als solche vielmehr gegen als für die Wohlgefal-
ligkeit des III beweisen. Gehen wir derFrage unter erforderlicher
Rücksicht auf Mitbestimmungen bei Architekturgegenständen etwas
näher nach, so verräth sich nach folgenden Bemerkungen die Un-
gefälligkeit des EI auch hier deutlich genug.
Unstreitig ist die den goldnen Schnitt an Länge erheblich
übersteigende Form der gewöhnlichen Haus- und Stubenthüren
durch eine Bezugsetzung zur menschlichen Gestalt bedingt. Bei
Thoren palastähnlicher Gebäude, welche nicht nur zum Durchgang
von Menschen, sondern zugleich als Einfahrten dienen sollen, fallt
aber eine solche Beziehung weg, und würde kein Hinderniss sein,
sie quadratisch zu machen, wenn hierin ein Vortheil der Wohl-
gefälligkeit läge. Das findet man aber nie bei Palästen, sondern
nur Scheunenthore sind nach dem Augenschein ziemlich quadra-
tisch, wo die Rücksicht auf YVohlgefälligkeit nicht mehr massgebend
ist; auch sagt sich jeder, dass eine solche Form eines Thores bei
einem Palaste nicht erträglich sein würde.
Bei Fenstern fragt sich, ob nicht ihre nahe und parallele Stel-
lung zu einander einen oombinatorischen Einfluss auf ihr ästheti-
sches Verhältniss hat, und sich nicht dieses je nach ihrer Nähe zu
einander ändern muss, worüber es noch ganz an Versuchen fehlt.
Auch wird das Fenster im Lichten des Glases, die Fensteröfiiiung
in der Mauer, und die Mauereinfassung des Fensters besonders zu
berücksichtigen sein. Halten wir uns zunächst an die Mauer-
öfinung, so sieht man dieselbe im Allgemeinen nicht sehr stark
um den goldnen Schnitt schwankend, bei keinem Gebäude aber,
was Anspruch auf architektonische Schönheit macht, den Ein-
druck eines Quadrates bieten, ausser etwa in Souterrains oder
höchsten Stockwerken, wo sie dann zugleich zur Abwechselung
mit den rechteckigen Fenstern der Hauptstockwerke beitragen
und selbst helfen, die dagegen untergeordnete Bedeutung der be-
treffenden Stockwerke zum Ausdruck zu bringen. Nur die Fen-
steröffnungen von Bauerhütten machen oft den Eindruck einer
quadratischen Form, was damit zusammenstimmen würde, dass
ein niederer Bildungsgrad dieselbe leichter bevorzugen lässt, als
ein höherer.