193
selbst als Abtheilungsverhältniss geltend machen kann, nament-
lich wahrscheinlich dann, wenn eine nach dem goldnen Schnitt
getheilte Länge sich mit einer andern symmetrisch verbindet.
Gewiss ist nur, dass der ästhetische Vortheil des goldnen Schnittes
nicht so einfach hinzunehrnen ist, als er uns von Zeising geboten
wird.
Zur unmittelbaren Einleitung der Versuche noch folgende
Betrachtung.
Gesetzt man legte jemand ein genau rechteckiges und ein
etwas windschiefes Rechteck vor, und fragte ihn, welches ihm
ohne Rücksicht auf die verschiedene Anwendbarkeit beider For-
Einleitung
der
Versuche
noch
folgende
men besser geliele, so würde er keinen Augenblick anstehen, das
genaue Rechteck vorzuziehen, und man auf diesem einfachsten
Wege ein sichreres Resultat über den Vortheil der Symmetrie er-
halten als durch Bezugsnahme aufcomplicirte Anwendungen, wo
die Wohlgefälligkeit durch associative und combinatorische Neben-
bedingungen mitbestimmt wird. Hätte nun der goldne Schnitt
wirklich den ihm von Zeising zugeschriebenen grossen Vorzug,
hätte überhaupt ein Bechtecksverhältniss vor den andern einen
sehr entschiedenen Vorzug, so müsste sich diess bei einem ent-
sprechend einfachen vergleichenden Experimente damit heraus-
stellen, oder es wäre eben kein entsprechender Vortheil vorhan-
den. Ein zwar vorhandener doch minder entschiedener Vortheil
aber müsste sich durch eine zwar nicht gleich ausnahmslose aber
im Durchschnitt vieler Vergleichsfälle entschieden überwiegende
Bevorzugung beweisen. Diess der allgemeine Gesichtspunct des
Versuches. Um aber demselben gleich eine gewisse Ausdehnung
zu geben, wurde so verfahren Sei).
10 Rechtecke aus weissem Carton von genau gleichem Flä-
i) Eine Versuchsreihe, wo immer nur je zwei Rechtecke (nicht aus Car-
ton geschnitten , sondern in schwarzen Umrisslinien auf weissern Carton) mit
einander verglichen werden, die ganze Reihe derselben nach gleichen Ab-
ständen der Seiten-Verhältnisse disponirt ist, und die längere Seite der Ver-
bindungslinie der Augen eben so oft parallel als senkrecht darauf dargeboten
wird, so wie eine entsprechende Versuchsreihe mit Ellipsen, wo statt der Ver-
hältnisse der Seiten die der Axen in Betracht kommen, habe ich zwar in An-
griiT genommen, bisher aber noch nicht weit geführt. Die oben mitzuthei-
lende Versuchsreihe ist noch nicht im bisher erschienenen ersten Theilc der
Sehr. z. exp. Aesth. enthalten,
Fechner, Vorschule d. Aesthetik. 43