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Nebenrücksichten , welche veranlassen können, von den direct
wohlgefälligsten Formen und Verhältnissen abzuweichen, über-
haupt wenn nicht in allen, doch in den meisten Fällen, ziemlich
gleichwiegend nach den verschiedensten Richtungen, so dass die
clirect wohlgefälligsten Formen und Verhältnisse immer ihren
Werth so zu sagen als ästhetische Gentra behalten, von denen aus
die durch Mitrücksichten gebotenen Abweichungen zu verfolgen
sind, und zu denen nach Massgabe zurückzukehren ist, als die
Mitbestimmungen zurücktreten. Wie es nun für die Lehre vom
Falle wichtig ist, den Schwerpunct jeder Art von Körpern so wie
Methoden seiner Bestimmung zu kennen, ist es für die Lehre vom
Gefallen an den Formen wichtig, für jede Art derselben, Welche
sich als Hauptform geltend machen kann, als wie Rechtecke, Drei-
ecke, Ellipsen, Wellenlinien u. s. w. das ästhetische Gentrum,
d. i. die am meisten direct oder an sich gefallende Form zu kennen.
Auch durch die Bemerkung, dass Bildungszustand, Alter, Ge-
schlecht, Individualität einen Einfluss auf die ästhetische Bevor-
zugung dieses oder jenes Verhältnisses haben können, wird der
Kreis der Untersuchung nur erweitert, indem es gilt, diese Einflüsse
mit in Rücksicht zu ziehen, und theils das durch alle Durchgreifende,
theils das sich danach Modificirende festzustellen; insofern es aber
kurzen Ausspruch gilt, das was durchschnittlich für Erwachsene
von mittlerm und höherm Bildungsgrade gilt, vor dem, was für
das Kind und den rohen Menschen gilt, zu bevorzugen.
Nach Allem mag man den praktischen Nutzen von Unter-
suchungen, wie sie im Folgenden in einem Beispiel vorgeführt
sind, nicht hoch anschlagen, das Gefühl des Künstlers vielmehr
in jedem Falle der Anwendung der sicherste Führer bleiben; aber
zur Gontrole mancher ästhetischen Ansichten, Behauptungen, Tl1eo-
rien sind sie meines Erachtens von grossem Vortheile; und die
Kunstindustrie dürfte doch auch einigen praktischen Vortheil dar-
aus ziehen können. Ausserdem können sie in gewisser Beziehung
zur Geschmacksprüfung von Individuen und zur ästhetischen Sta-
tistik dienen, wie ich in der Schrift z. exp. Aesthetik S. 605 ff.
und dem iiBericht über das bei der Dresdener Holbeinausstellung
ausgelegte Albuma. (Br. u. H. 4872) besprochen habe, ohne hier
näher darauf eingehen zu wollen.