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gefälligkeit durch einen geringen Nachthcil der Angemessenheit
zum Sinne oder zur Wohlgeiälligkeit desiSinnes erkauft wer-
den kann. S0 muss in einem Gedichte selbst eine minder
günstige Gedankenwendung vorgezogen werden, wenn die gün-
stigere sich dem Versmasse und Reime durchaus nicht fügen will,
und lasst man in der Architektur die Symmetrie der Seitentheile
eines Gebäudes auch dann gewöhnlich noch durchgreifen, wenn
dieselben einer verschiedenen Bestimmung dienen , was nach all-
gemeineren Kunstprincipien vielmehr zu einem Ausdruck der
inneru Verschiedenheit durch eine symbolisch oder teleologisch
zugehörige äussere auffodert; ohne damit auszuschliessen, dass es
auch Gebäude geben darf, in denen die Symmetrie ganz gegen
überwiegende associative Motive zurückgestellt wird.
Kann man hienach dem Factor directerWohlgefälligkeit selbst
in den höhern Künsten der Sichtbarkeit seine wichtige Bedeutung
nicht absprechen, so wächst doch dieselbe, wenn Wir von Plastik
und Malerei zur Architektur und von dieser zur Kunstindustrie
oder den sog. technischen Künsten und der Ornamentik herab-
gehen; indem nach Massgabe dieses Herabgehens einerseits der
associative Factor selbst an Bedeutung in Verhältniss zum directen
verliert, anderseits Conflicte des directen mit dem associativen
minder leicht eintreten. Namentlich gewinnt in diesen Kunst-
gebieten die anschaulich verknüpfte Mannichfaltigkeit eine erhöhte
Wichtigkeit, wohin die Symmetrie, der goldne Schnitt, das regel-
mässige Muster, die Wellenlinie, die Volute, der Mäander u. s. w.
gehören, was Alles in den höhern Künsten der Sichtbarkeit leich-
ter fehlen kann, und aus angegebenen Gründen meist fehlen muss,
weil man darin für die anschauliche Verknüpfung die associative
durch die Idee hat. Aber auch Glanz, Reinheit und Sättigung der
Farbe, gefällige Farbenzusammenstellungen spielen in den niedri-
gern Künsten der Sichtbarkeit eine wichtigere Rolle als in den
höhern, welche sich die niedern Vortheile nur versagen, um höhere
dafür zu bieten.