Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

1771- 
Schwung verlor sich jedesmal wie in düster hereindäimmernrlen Nebel- 
sehatlen, unverändert kehrte immer und immer dieselbe Tongestalt wieder- 
ein schmerzlicher Blick zum Himmel voll stiller Entsagung.  Da begannen 
im dritten Satze die Bässe wie finster drohende Geistergestalten aufzusteigen 
gegen die Lichtwelt, die uns das Andante wie in weiter Ferne gezeigt, Klage- 
stimmen wurden laut, zum Lachen verzerrter Schmerz, toll herumwiistende 
Lustigkeit, die ersten Weisen wiederkehrend, aber wie in sich gebrochen, an 
der Stelle des vollen Saitenklanges matte Pizzieati , statt des markigen Horn- 
tones die sehwäehiiche Oboe  wir langten endlich bei der finstersten Stelle 
an, wo die Bässe auf As liegen blieben, während die Pauke in dumpfen 
Schlägen rastlos ihr C dazu klopfte, die Geigen das Thema in verzerrter Ge- 
slalt hastig höher und höher rückten, bis in dem Crescendo der letzten acht 
'l'acte der schwarze Vorhang plötzlich zerriss und im vollen Triumphe des 
hereinbrausenden C-dur wir in einen Ocean von Licht hineingerissen wur- 
den, in einen Jubel ohne Ende, in ein Reich glorreieher Herrlichkeit ohne 
Gränzen  kaum dass wir noch einen Blick auf die überwundene finstere 
Larvenwelt zurückwerfen, um uns dann in dem uns nun erschlossenen Licht- 
reiehe wie selbst zu verlieren. Wir fühlen uns, wenn die letzten Accorde 
nusgebraust, in freudiger Erhebung als Bürger einer hühern Welt, die klei- 
nen Sorgen des Alllagslobens liegen uns wie in weiter FffrnÜ.((     
nDlG Wirkung, welche wir vorhin der C-moll-Symphonie zugeschrieben 
haben, ist nicht etwa der Reflex dieses Werkes in dem Kopfe eines verein- 
zelten Enthusiasten, sie hat  thatsächlich  genau dieselbe bei Tausenden 
hervorgebracht, und wo ein des Wortes mächtiger Künstler oder Kunstfreund 
über sie das Wort genommen , ist bei aller Verschiedenheit des Ausdruckes 
der Sinn der Rede immer derselbe gewesen. So T. E. 0. Hoffmann in s. Aul- 
satze über Beethovens Instrumenlalmusik, so Berlioz in einem aussersl, geist- 
reichen Feuilletonartikel im Journal des debats, so W. B. Griepenkerl (Kunst- 
genius dcr deutschen Literatur), so Robert Schumann (gesammelte Schriften 
I. Band, S. 316), so B. A. Marx (die Musik des 49. Jahrh. S. 246). Ja, wenn 
beim triumphirenden Jubellheina des Finals der napoleonische Invalide im 
Saale des pariser Conservatoriums aufspringt und laut sein vive Pempereur 
schreit, so will dieser wehrhafte Naturlaut aus der Brust eines braven allen 
Soldaten eben auch nichts Anderes sagenm  
Analysirt man die vorige Auslegung des Sinnes der Beethovensehen 
Symphonie näher, so findet man, dass sie fast in lauter lebensverwandten 
Stimmungselementen sich bewegt, und nur diese können es sein, von welchen 
gilt, was der Verf. sagt, dass die Wirkung überall nge na um dieselbe gewesen, 
indess ndie düster hereindämmernden Nebelschattenu, der nschmerzliche Blick 
zum Himmelu, die viinsler drohenden Geistergeslaltenw u. s. w. unstreitig zu 
(IGITI gehören, was er als "Verschiedenheit des Ausdrucksu fasst, indem die 
Durchführung der Stimmung durch die möglichen Ausdrucksweisen sich bei 
jedem andern Ausleger anders gestaltet haben wird. 
Ein junger Tbnsclzer halle die einzelnen Nummern des ersten Heflrs 
n {Felix Niendolssons Livdvrn uhno Worlv mit den Bonol1nungen: "ich denke
	        
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