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Wenn schon allgemeingesprochen lnstincte von ganz be-
stimmter Richtung beim Menschen weniger vorkommen als bei
Thieren, wird man ihm doch instinctiven Geschlechtstrieb und
wohl auch Geselligkeitstrieh zugestehen müssen, und da alleThiere
ihres Gleichen geschleehtlich und viele auch gesellig suchen, in
die dazu gehörige instinctive Einrichtung aber die Wirkung des
Anblickes der Gestalt mit verrechnet ist, so mag Entsprechendes
auch vom Menschen im Naturzustande gelten, und in der That
das Gefallen des Menschen an der menschlichen Gestalt, als Mo-
ment des Zuges der Menschen zu einander, wesentlich mit ein in-
stinetiver sein. Inzwischen sind alle rein instinctiven Eindrücke
und 'l'riebe bei Menschen wie bei Thieren doch nur sehr einfacher
und niederer Art, und weit mehr bei Menschen als bei Thieren
werden die Erfolge des lnstinetes im Laufe des Lebens durch den
Verkehr mit ihres Gleichen und den Aussendingen modificirt und
in höhere Bahnen gelenkt; daher bei verschiedenen Völkern sich
das Gefallen an sehr verschiedene Verhältnisse der menschlichen
Gestalt knüpft, und bei den gebildeten Völkern der, nur auf
Associationswege verständliche, Ausdruck des Charakters und der
körperlichen und geistigen Begabung ein Gefallen aus höherem
Gesichtspuncte bedingt.
Hieran knüpft sich eine Frage von einigem Interesse, die ich
weder für entschieden halte, noch selber wage zu entscheiden,
nämlich ob der Ausdruck der einfachsten Seelcnbewegungen im
Gesichte eines Menschen, der Freude, des Schmerzes, der Zunei-
gung, des Zornes seine Deutung Seitens Andrer nur associativ in
Folge früherer Erfahrungen oder angebornerweise instinctiv lin-
det. Um die erste Ansieht zu vertreten, würde man etwa so
sprechen können.
Es ist kein Grund, wesshalb dem Menschen das Lächeln des
Mundes oder der zornige Blick anfangs mehr oder etwas Andres
vom geistigen Innern des Menschen verrathen sollte, als diese oder
jene Stellung der Beine und Hände. Versuche man es nur, ein
Kind, das noch nie einen zornigen Blick mit Zorneshandlungen
verknüpft gesehen hat, das erstemal zornig anzusehen, ob man
es dadurch erschrecken kann. Das Kindmuss eben so dressirt
sein, diesen Blick zu verstehen, als der Jagdhund die Worte und
Mienen seines Herrn. Diese Dressur macht sich aber beim Kinde
von selbst. Indem es bei Handlungen von demselben Charakter