Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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Melodie, Betonung, Hebung und Senkung der Stimme belebt und 
gehoben und durch den zeigenden Stab in stetem Zusammenhange 
mit der Auffassung der gemalten Scenen erhalten wird. Man sollte 
meinen, es könnte keine vortheilhaftere Verbindung geben; und 
in der That lässt sich fragen, 0b diese bis jetzt auf Jahrmärkte 
verwiesene und auf rohste Ausführung beschränkte Kunst nicht 
höherer Ausbildung und Wirkung fähig sei. Sehen wir das den 
Bänkelsänger umstehende Volk an, wie reckt es die Köpfe, sperrt 
die Mäuler auf und spitzt die Ohren. Weder der Gesang allein 
noch das Gemälde allein würde seine Aufmerksamkeit fesseln. 
Also muss doch die Verbindung von Vortheil sein. Gefällt aber 
dem rohen Volke das rohe Bild auf einer schmutzigen Leinwand 
mit dem monotonen Gesänge, der von einer abgelebten heiseren 
oder krachzenden Stimme aus einer halb verhungerten Gestalt 
herrührt, und dem eine schlechte Beimerci unterliegt, so sollte 
man meinen, dass ein schöner ausdrucksvoller Gesang mit einer 
Reihenfolge guter Bilder in passende Beziehung gesetzt, überhaupt 
nach jeder Beziehung vollendet, nach welcher die Bänkelsängerei 
noch roh ist, seine Wirkung auch auf ein gebildetes Publicum nicht 
verfehlen könnte. Nur dass Gedicht und Bild ausdrücklich viel- 
mehr auf gegenseitige Ergänzung als Wiederholung durch einander 
angelegt sein müssten. Wie langweilig kann ein Gedicht dadurch 
werden, dass es die Gestalt einer Person oder einer Gegend {in 
ihren Einzelnheiten schildert; diese ganze doch nie zureichende 
Aufzählung kann der Fingerzeig auf das Bild ersetzen. Wie lange 
anderseits müssen wir oft erst' in einem Gemälde hin- und her- 
blicken, ehe die Vorstellung den Weg des Verständnisses darin 
findet; hier wird sie durch die Erzählung unmittelbar recht ge- 
führt, und zugleich durch den Gesang in richtiger Stimmung er- 
halten. 
Das klingt Alles recht schön, da eben Alles, was zu Gunsten 
einer solchen Kunst sprechen kann, hier zusammengestellt werden 
ist; doch möchte bei den Meisten ein Gefühl gegen deren Berech- 
tigung sprechen, und dieses Gefühl könnte möglicherweise Recht 
behalten. VNach Massgabe nämlich, als Malerei und Gesang für 
sich vollendeter werden, möchte auch wohl die Neigung wachsen, 
jede schon für sich zu verfolgen; ihre grössere Vollendung also ihr 
Zusammenwirken nur erschweren und die sich fort und fort 
erneuerndc Anregung, den zeitlichen Verfolg des Gesanges
	        
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