Beide Behandlungsweisen lassen sich auch wohl als philo-
sophische und empirische unterscheiden. An sich stehen
sie nicht in Widerspruch mit einander, insofern eine richtige
und vollendete Erkenntniss der obersten Principien des Seins, der
göttlichen und menschlichen Dinge, auch die Principien einer
richtigen Betrachtung der ästhetischen Verhältnisse einschliessen
muss, gegenseits eine richtige Verallgemeinerung der erfahrungs-
mässigen Thatsachen und Gesetze des ästhetischen Gebietes in
diese Erkenntnisse hineintreten muss. Beide durchmessen das-
selbe, Gebiet nur in entgegengesetzter Richtung; und überall er-
gänzt sich die Möglichkeit der Bewegung in einer Richtung durch
eine solche in entgegengesetzter Richtung. Es haben aber beide
Wege ihre besondern Vortheile, Schwierigkeiten und Gefahren.
Der erste Weg stellt uns so zu sagen von vorn herein an das
Ziel, dem man auf dem zweiten erst zustreben muss, gewährt von
da aus den allgemeinsten Blick, die höchsten Gesichtspuncte; aber
man gelangt auf ihm schwer zu einer klaren Oricntirung über die
Gründe des Gefallens und Missfallens im Einzelnen, um die es
uns doch auch zu thun sein muss; es bleibt mehr oder weniger
bei unbestimmt schwebenden, in ihrer Allgemeinheit das Ein-
zelne nicht leicht scharf treffenden Begriffen. Dazu setzt dieser
Weg, um richtig zu führen, einen richtigen Ausgang voraus, den
man im Grunde nur in einem vollkommenen philosophischen und
selbst theologischen Systeme finden kann, was wir beides noch
nicht haben. Nur viele Versuche derselben haben wir, und so
haben wir auch viele Versuche, die Aesthetik damit in Beziehung
zu setzen, die alle noch viel zu wünschen übrig lassen, aber doch
dem Bedürfniss allgemeinster und höchster Gesichtspuncte ent-
gegenkommen, und, wenn sie dasselbe nicht vollständig befriedi-
gen, doch beschäftigen und wach erhalten. Auch haben sich diese
Nachtheile wie Vortheile in allen sehr zahlreichen Darstellungen
der Aesthetik und Behandlungsweisen ästhetischer Fragen, welche
in Abhängigkeit von Schelling, Hegel und selbst von Kant, die
Richtung von Oben bisher eingeschlagen haben, mehr oder weniger
fühlbar gemacht.
Der andre Weg hingegen, der Weg von Unten, gewährt oder
verspricht wenigstens unmittelbar eine klare Orientirung nicht nur
im Felde der Begriffe, welchen sich das Gebiet des Gefallens und
Missfallens unterordnet, sondern auch über die Gründe des Gefallens