Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

Beide Behandlungsweisen lassen sich auch wohl als philo- 
sophische und empirische unterscheiden. An sich stehen 
sie nicht in Widerspruch mit einander, insofern eine richtige 
und vollendete Erkenntniss der obersten Principien des Seins, der 
göttlichen und menschlichen Dinge, auch die Principien einer 
richtigen Betrachtung der ästhetischen Verhältnisse einschliessen 
muss, gegenseits eine richtige Verallgemeinerung der erfahrungs- 
mässigen Thatsachen und Gesetze des ästhetischen Gebietes in 
diese Erkenntnisse hineintreten muss. Beide durchmessen das- 
selbe, Gebiet nur in entgegengesetzter Richtung; und überall er- 
gänzt sich die Möglichkeit der Bewegung in einer Richtung durch 
eine solche in entgegengesetzter Richtung. Es haben aber beide 
Wege ihre besondern Vortheile, Schwierigkeiten und Gefahren. 
Der erste Weg stellt uns so zu sagen von vorn herein an das 
Ziel, dem man auf dem zweiten erst zustreben muss, gewährt von 
da aus den allgemeinsten Blick, die höchsten Gesichtspuncte; aber 
man gelangt auf ihm schwer zu einer klaren Oricntirung über die 
Gründe des Gefallens und Missfallens im Einzelnen, um die es 
uns doch auch zu thun sein muss; es bleibt mehr oder weniger 
bei unbestimmt schwebenden, in ihrer Allgemeinheit das Ein- 
zelne nicht leicht scharf treffenden Begriffen. Dazu setzt dieser 
Weg, um richtig zu führen, einen richtigen Ausgang voraus, den 
man im Grunde nur in einem vollkommenen philosophischen und 
selbst theologischen Systeme finden kann, was wir beides noch 
nicht haben. Nur viele Versuche derselben haben wir, und so 
haben wir auch viele Versuche, die Aesthetik damit in Beziehung 
zu setzen, die alle noch viel zu wünschen übrig lassen, aber doch 
dem Bedürfniss allgemeinster und höchster Gesichtspuncte ent- 
gegenkommen, und, wenn sie dasselbe nicht vollständig befriedi- 
gen, doch beschäftigen und wach erhalten. Auch haben sich diese 
Nachtheile wie Vortheile in allen sehr zahlreichen Darstellungen 
der Aesthetik und Behandlungsweisen ästhetischer Fragen, welche 
in Abhängigkeit von Schelling, Hegel und selbst von Kant, die 
Richtung von Oben bisher eingeschlagen haben, mehr oder weniger 
fühlbar gemacht. 
Der andre Weg hingegen, der Weg von Unten, gewährt oder 
verspricht wenigstens unmittelbar eine klare Orientirung nicht nur 
im Felde der Begriffe, welchen sich das Gebiet des Gefallens und 
Missfallens unterordnet, sondern auch über die Gründe des Gefallens
	        
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