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die Worte der Sprache mit ihrer Bedeutung und durch die mög-
lichen Zusammenstellungen derselben das gesammte Vorstellungs-
und Begriffsgebiet des Menschen und vermögen sonach dem Gange
der Vorstellungen und Gedanken mit dem davon abhängigen Gange
der Gefühle ganz bestimmte, sich durch alles Aeussere und Innere,
Geistige und Körperliche, Vergangene und Künftige, Sichtbare
und Unsichtbare, Allgemeine und Concrete erstreckende Wege
anzuweisen, und dadurch den Vortheil, den die Malerei nach ge-
wisscr Beziehung voraus hat, durch Vortheile nach andrer Rich-
tung zu compensiren oder selbst zu überbieten. Wie denn der
Eindruck eines lyrischen Gedichtes , eines Drama oder Epos oder
selbst einer einfachen Erzählung durch kein Gemälde ersetzt,
wenn schon in gewisser Weise ergänzt werden kann.
Hienach wird die Malerei überhaupt mit grösserem Vortheile
da Anwendung finden, wo der ästhetische Haupteindruck sei es
direct von der zusammenhängenden Auffassung der in, einem Mo-
mente festgehaltenen äusseren Erscheinung, oder dem unmittelbar
und sicher davon ausgelösten Zusammenhang und Spiel ästhetisch
wirksamer und befriedigender Associationsvorstellungen abhängt,
worin die Poesie und überhaupt sprachliche Darstellung nicht
nachzukommen vermag, indem sie von dem directen Eindrücke
gar nichts, und von dem damit verschmolzenen Kreise der Asso-
ciationen nur nach und nach diese und jene Momente kraftvoll
hervorzurufen vermag, ohne die Fülle derselben damit erschöpfen
und den von ihrem Zusammenhange abhängigen Totaleindruck
herstellen zu können; hingegen die poetische Darstellung und
sprachliche Darstellung überhaupt mit grösserem Vortheilc da, wo
der ästhetische Haupteindruck an weiter durch Zeit, Baum und
Inneres greifenden Beziehungen hängt, welchem die sinnliche Er-
scheinung einer sichtbaren Olaerflache mit den sich zunächst an-
knüpfcnden Vorstellungen nicht nachzukommen vermag.
Nun giebt es Gegenstände, Motive, die aus vorigen Gesichts-
puncten besser der 11063, andre, Welche besser der Malerei über-
lassen werden; doch giebt es auch genug, welche einen gemein-
samen Darstellungsstoff für beide abgeben können; nur werden
sich dann beide, um jede in ihren rechten Gränzen zu blei-
ben, in der Behandlung desselben Stoffes vielmehr kreuzen als
decken müssen, indem die Dichtung mit Darstellung des zeitlichen
Ablaufes über-den Durchschnitt durch die Zeit, den das