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Besprochenermassen (S. 447) besteht zwischen Poesie und
Malerei der Gleichungspunct, dass die sichtbaren Formen, deren
sich die Malerei bedient, eben so wie die hörbaren Worte, deren
sich die Poesie und Sprache überhaupt bedient, Träger einer durch
Association geläufig gewordenen , den höheren Eindruck dieser
Künste vermittelnden, Bedeutung sind, wonach man die Formen
der Dinge selbst sichtbare Worte nennen kann. So wichtig aber
dieser Gleichungspunct ist, lässt er doch nicht minder wichtige
Unterschiede übrig, denen wir etwas nachgehen wollen.
Der Hauptunterschied liegt darin, dass uns die sichtbaren"
Worte der Malerei unmittelbar doch etwa s von der darzustellen-
den Sache selbst wiedergeben, z. B. vom Menschen seine äusserc
Gestalt und Farbe, die freilich noch nichtden ganzen Menschen
aber doch einen Theil desselben ausmachen, und dass sie blos das
Uebrige, was sonst zu ihm gehört, der associativen Vorstellung
anheimgeben; indess die Worte der Sprache (mit wenig Ausnah-
men) ganz gleichgültig zur darzustellenden Sache sind und Alles
solcher Vorstellung überlassen, so das Wort Mensch die Vorstellung
des ganzen Menschen, das Wort Baum die Vorstellung des ganzen
Baumes. Womit sich der zweite, zwar weniger durchgreifende
und wichtige Unterschied verbindet, dass die associativen Bedeu-
tungen der Worte conventionell sind und zwischen verschiedenen
Sprachen wechseln, indess die der Formen bis zu gewissen Gräu-
zen, freilich nur bis zu solchen, uns aufgedrungen und dadurch
menschliches Gemeingut sind. So könnten die Worte für Auge
und Mund und hiemit die daran geknüpften associativen Bedeu-
tungen in zwei Sprachen verwechselt werden, wogegen die asso-
ciativen Bedeutungen der Formen von Auge und Mund, wonach
das eine zum Sehen, der andre zum Sprechen und Essen dient,
sich nicht verwechseln lassen. Doch gilt das nur von den funda-
mentalsten oder so zu sagen Naturbedeutungen der Formen; im
Uebrigen weiss man janäs sich ihre Bedeutungen nach Verschie-
denheit der daran ge ten Erfahrungen so gut ändern als
die der Worte nach Versc iedenheit der Conventionen. Und haben
sich die conventionellen Bedeutungen der Worte einmal durch Ge-
wohnheit festgesetzt, so haften sie eben so fest daran, als die Na-
turbedeutungen an den Formen. Daher die geringere Wichtigkeit
des zweiten Unterschiedes gegen den ersten, mindestens aus den
Gesichtspuncten, die wir hier ins Auge fassen werden.