Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

Die 
Aesthetik 
VOll 
Oben 
und 
VOII 
Unten. 
Die doppelte Weise, wie sich die menschliche Erkennlniss 
zu begründen und zu entwickeln strebt, macht sich auch in der 
Aesthetik, der Lehre vom Gefallen und Missfallen oder nach 
Andern der Lehre vom Schönen, geltend. Man behandelt sie 
nach einem kurzen Ausdrucke von Oben herab, indem man von 
allgemeinsten Ideen und Begriffen ausgehend zum Einzelnen ab- 
steigt, von Unten herauf, indem man vom Einzelnen zum Allge- 
meinen aufsteigt. Dort ordnet man das ästhetische Erfahrungs- 
gebiet einem, von obersten Gesichtspuncten aus construirten. 
ideellen Rahmen nur ein und unter; hier baut man die ganze 
Aesthetik auf Grund ästhetischer Thatsachen und Gesetze von 
Unten an auf. Dort handelt es sich in erster und zugleich höch- 
ster Instanz um die Ideen und Begriffe der Schönheit, der Kunst, 
des Stils, um" ihre Stellung im System allgemeinster Begriffe, ins- 
besondre ihre Beziehung zum Wahren und Guten; und gern steigt 
man damit bis zum Absoluten, zum Göttlichen, den göttlichen 
ldeen und der göttlichen Schöpferthätigkeit hinauf. Aus der rei- 
nen Höhe solcher Allgemeinheiten steigt man dann in das irdisch- 
empirische Gebiet des einzelnen, des zeitlich und örtlich Schönen 
herab, und misst alles Einzelne am Massstabe des Allgemeinen. 
Hie r geht man von Erfahrungen über das, was gefällt und miss- 
fällt, aus, stützt hierauf alle Begriffe und Gesetze, die in der 
Aesthctik Platz zu greifen haben, sucht sie unter Mitrücksicht auf 
die allgemeinen Gesetze des Sollens, denen die des Gelallens 
immer untergeordnet bleiben müssen, mehr und mehr zu verall- 
gemeinern und dadurch zu einem System möglichst allgemeinster 
Begriffe und Gesetze zu gelangen. 
Fechner, Vorschule d. Aesthetik. 1
	        
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