Volltext: Vorschule der Aesthetik (Theil 1)

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beweisen, als die Kraft, mit der eine graue formlose Ruine wirkt: 
die sich kaum vom zerklüftenen Felsen darunter abhebt. 
Sicher nun, wenn die Ruine unseren eigenen Ruin bedeutete, 
so würde uns ihr Anblick nicht behagen, und selbst der Gedanke 
an einen Ruin, der uns selbst nichts angeht, könnte an sich durch 
seinen Unlustgehalt nur missbehagen; aber es giebt unzählige Ein- 
drücke, worin Unlustmomente durch Lustmomente, mit denen sie 
zusammenhängen, überwogen werden, also werden wir auch heim 
Eindrucke der Ruine nur zu suchen haben, wodurch, und wenn 
uns ähnliche Fälle laegegnen, dessgleichen zu thun haben. 
Die Ruine einer alten Burg führt uns von der Vorstellung ihres 
Verfalles leicht in die romantisch reizenden Vorstellungen des alten 
Bitterthums zurück, und nicht nur, dass wir an sich lieber laei 
solchen Vorstellungen als denen des Verfalles verweilen, weil sie 
eben reizender sind, so sagt uns eine lebhafte receptive Erregung 
und Beschäftigung, die uns aus dem Kreise dessen, wogegen wir 
durch Gewohnheit abgestumpft sind, herausführt, überhaupt zu, 
wonach wir sogar nicht ungern von Schrecknissen hören, wenn 
sie uns nur selbst nicht betreffen. Laufen doch die Leute selbst 
nach der Brandstätte eines gewöhnlichen Hauses gern, um die Lust 
dieser Erregung zu geniessen; ist sie aber mit dem Reize der Neu- 
heit vorüber, so gewinnt das Unlustmoment des Gedankens an 
Zerstörung das Uebergewicht, und wir möchten die Brandstätte 
durch ein neues Haus ersetzt sehen, um das wir uns dann aber 
auch nicht kümmern. Denn die Geschichte des verbrannten ge- 
meinen Hauses hat keinen Anreiz uns hinein zu versenken, und 
das neue Haus hat überhaupt noch keine Geschichte, in die wir 
uns versenken könnten. Anders die Ruine von etwas Grossen, 
Reichen, Kühnen, Starken. Auch wenn wir von ihrer wirklichen 
Geschichte nichts wissen, knüpft sich doch eine solche durch Asso- 
ciation nach dem, was wir im Allgemeinen von der Vergangenheit 
solcher Ruinen wissen, an und kan  ich die Phantasie endlos 
ausgebeutet werden. So führt die Rdmger alten Burg als Brenn- 
punct von Erinnerungen fremdartigenv, mächtigen, wechselvollen 
Charakters ein starkes Moment des Interesses in eine sonst schläf- 
rige Landschaft ein .uncl ruft einen elegischen Wechsel lnstvoller 
und unlustvoller Associationen mit Lustübergewicht im Ganzen 
hervor, wie eine Feder-nach jedem momentanen Druck um so höher 
wieder aufschnellt.
	        
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